Volltext: Nr. 3 1923 (Nr. 3 1923)

Nr. 3 
Nachrichten 
Seite 3 
jedoch sind uns bereits einige Fülle zur Kenntnis gekommen, 
daß die Jnvaliden-Entsckädignngs-Kommission in Wien sich an 
diesen Paragraphen klammert und dadurch Invalide geschädigt 
werden. Die Begutachtung muß so durchgeführt werden, daß 
in erster Linie der physische Zustand der Invaliden und dann 
die Tauglichkeit zu seinem oder einem Berufe, der ihm billiger- 
weise zugemutet werden kann, der Bemessung als Grundlage 
dienen. Eine andere Klassifizierung ist nicht denkbar, ohne die 
Invaliden zu schädigen. 
Nach Aufhebung des Jndexsystems würde sich, wenn 
nicht vorgebaut wird, wieder ein ständiger Kampf nm die 
Rentenansätze entspinnen. Daß die Jnvalidenschaft stets dabei 
im Nachteil wäre, haben wir bis zur endgültigen Erreichung 
des Jndexsystems nur zur Genüge am eigenen Leibe zu spüren 
bekommen. Deshalb werden wir verlangen, daß als Rente 
für einen Vollinvaliden das Grundgehalt eines ledigen Bundes- 
angestellten der 3. Besoldungsgruppe als Grundlage für die 
Berechnung gilt. 
Für Kriegsbeschädigte, die derart erkrankt sind, daß sie 
die Hilfe einer zweiten Person brauchen, ist das Krankengeld 
so zu halten, daß es den dreißigsten Teil der Monatsrente 
eines Hilflosen täglich beträgt. 
Das Gesetz schreibt vor, daß Witwen, die noch nicht 
ein Jahr vor dem Tode des Gatten mit ihm verehelicht waren, 
keinen Anspruch auf Witwenrente haben. Daß diese Verfügung 
ungerecht ist und verschwinden muß, dürfte nicht besonders er- 
örtert werden. 
Die Erhöhung der Rente für die Kriegerhinterbliebenen 
ist eine dringende Notwendigkeit und schon deshalb wird der 
Kampf um die Generälnovelle ein heißer werden, da die Negierung 
die Sparwut ergriffen hat, um unser Oesterreich noch zu 
retten vor dem sicheren Verfalle und macht auch vor den 
Kriegsopfern nicht Halt, ja, es scheint, daß sie dieser ganz be- 
sonders gedenkt und schnürt wo es nur angeht. Wir selbst sind 
und müssen für Ersparungen sein, sie dürfen jedoch nicht zum 
Großteil auf den Schultern der Kriegsopfer gemacht werden. 
Der § 26 sagt im Punkt 3, daß Hinterbliebene nur 
dann anspruchsberechtigt sind, wenn sie vom Geschädigten 
wesentlich unterstützt wurden. Wie viele können keine Bestätigung 
erbringen, daß sie wesentlich (d. h. zum Großteil) unterstützt 
wurden, daher nicht anspruchsberechtigt sind. Auch ein altes 
Mütterchen, welches ihren einzigen Sohn in die Lehre gegeben 
hat, nm in späteren Tagen eine Stütze zn haben, diesen jedoch 
im Kriege verlieren mußte, kann nie die Bestätigung erbringen, 
daß sie vom Sohn unterstützt wurde, hat daher keinen An- 
sprnch auf Rente. Der Sohn wäre jedoch einmal die Stütze 
der Mutter geworden, sodaß die Anspruchsberechtigung gegeben 
ist. Wie die Gesetze ausgelegt werden, zeigt folgender krasser 
Fall, der beim JnvaÜden-Entschädigung-Gerichte in Wien 
verhandelt wurde: Eine Mutter hatte ihre beiden Söhne, von 
denen sie unterstützt wurde, im Kriege verloren und machte 
daher ihren Anspruch nach dem J.-E.-G. geltend. Jeder 
Mensch wird glauben, daß die Bedauernswerte ohne weiteres 
die Rente erhalten wird. Das J.-E.-Gericht war aber der An- 
ficht, daß, nachdem beide Söhne die Mutter unterstützten, dieselbe 
von keinem Sohn wesentlich unterstützt wurde und beschloß 
daher die Abweisung des Anspruches. DaZ ist eine schreiende 
Ungerechtigkeit, die abgeschasff werden muß. 
Die schwersten Ungerechtigkeiten brachte der wieder er- 
standene § 29 mit sich. Nach diesem Paragraphen wird allen 
selbstständig Erwerbstätigen und Bundesangestellten die halbe 
Rente gestrichen. Unter selbstständig Erwerbstätigen versteht 
die Regierung jeden, der ein Gewerbe betreibt oder eine 
Landwirtschaft besitzt oder pachtet und streicht ihnen die halbe 
Rente. Daß dadurch die Arbeitsfreudigkeit der Invaliden nicht 
gehoben wird, ist sicher. Nehmen wir an, ein Vollinvalider ljci* 
eine Trafik erhalten, gilt er als selbstständig Erwerbstätiger, 
nimmt aus seiner Trafik monatlich 100.000 K ein und 
400.000 K werden ihm abgezogen. Der Trafikant wird sich 
naturgemäß sagen, daß er auf die Trafik verzichtet und sich 
lieber auf die grüne Wiese legt, da er hiefür mehr bekommt, 
als wenn er sich den ganzen Tag in das mit Tabakgestank 
erfüllte Verkanfslokal stellt und stundenlang wartet, bis eine 
Kunde kommt. Ganz dasselbe gilt für Heimarbeiter, kleine 
Krämer usw. Ein Pointler, der zum Leben kaum das Not- 
wendige aufbringt, kann sich mit der Rente durchbringen, ohne 
Rente muß er hungern oder anderwärts Arbeit nehmen oder 
sein Gut verkaufen. Es ist ganz bestimmt nicht notwendig, daß 
ein Fabrikant, ein Großkaufmann, ein Großbauer die Rente 
bezieht. Diese könnnen und werden darauf verzichten. Die 
Gesamtheit der Gewerbetreibenden jedoch darf nicht betroffen 
werden, weshalb wir verlangen, daß den selbstständig Gewerbe- 
treibenden erst dann die halbe Rente gestrichen wird, wenn sie 
mindestens zwei Angestellte beschäftigen. Bei diesem Angestellten- 
stände kann man rechnen, daß jeder sorgenfrei leben kann, da 
er sonst ja auch seine Angestellten nicht bezahlen und halten 
könnte. Auch die Besitzer und Pächter von Landwirtschaften 
dürfen nicht so ohne weiters gekürzt werden, sondern kann erst 
bei einem Besitze, von 10 Joch Grund, einem Pächter mit 
einem Pachtgrund von 15 Joch ein Abzug, gemacht werden. 
(Forlsetzung folgt.) 
vas Znüexgesett. Nach schweren Kämpfen ist es uns 
im Sommer des vorigen Jahres gelungen, die Auszahlung, 
bzw. Berechnung der Renten nach dem sogenannten Index- 
gesetz zu erreichen. Wte aus den Tageszeitungen bekannt sein 
dürfte, trägt sich die Regierung mit dem Gedanken, dieses 
Gesetz abzuschaffen. Es ist einleuchtend, daß,» wenn es der 
Regierung tatsächlich gelingen sollte, durchzudringen, den Kriegs- 
opfern ein schwerer Schaden zugefügt würde. Vorläufig finden 
zwischen der Regierung und den Organisationen der Bundes- 
angestellten Verhandlungen statt. Der Ausgang der VerHand- 
lnngen ist selbstverständlich auch für uns von der größten 
Wichtigkeit. 
Durch das Judexgesetz ist es möglich geworden, die 
Renten den jeweiligen Teuerungsverhältnissen wenigstens an- 
nähernd anzupassen. Wir würden durch die Abschaffung des 
Jndexgesetzes sehr leicht in die Lage kommen können, in der 
wir uns vor dem Inkrafttreten des erwähnten Gesetzes be- 
fnnden haben. Die Kameraden werden sich uoch erinnern 
können, wie furchtbar schwer wir damals unter den fort- 
schreitenden Teuerungsverhältnissen und den gänzlich unzuläng¬ 
lichen Renten zu leiden hatten. 
Wie kange es dauerte, bis eine Erhöhung der Renten 
auf gesetzlichem Wege möglich wurde, ist'uns allen zur Genüge 
bekannt. Wenn dann die gesetzliche Erledigung erfolgt war, 
kam erst die Durchführung, die fast noch längere Zeit in An- 
sprnch nahm. So befanden wir uns dnmals in Verhältnissen, 
die einfach trostlos waren. Wir sind uns wohl bewußt, daß 
in dem Kampfe um das Jndexgesetz nicht wir die Entscheidung 
herbeiführen werden. Die -Bundesangestellten stehen diesmal 
in der Front, gegen einen hartnäckigen und einsichtslosen 
Gegner. Wir hoffen und wünschen, daß es gelingen werde, 
den Sieg davon zu trageu. 
Wir waren jedoch ebenfalls nicht untätig. In einer 
Vertrauensmännerversammlung des „Bundes der öffentlichen 
Angestellten" hat Kam. Kainradl im Namen des „Zentral- 
Verbandes" eine Solidaritätserklärung abgegeben. In einer 
großen Bertrauensmännerversammluug des Linzer Sektionen
	        
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