Volltext: Das Weltkriegsende

Die Besprechungen in Spa am 13. u. 14. August 1918 93 
schwieg zu diesen Problemen der inneren Politik, brachte aber die 
belgische und polnische Frage noch zur Sprache, da hierüber Klarheit 
herrschen müsse, wenn diplomatische Friedensschritte notwendig wür¬ 
den. Bei Erwähnung Belgiens bestand Ludendorff darauf, daß es 
unter deutschem Einfluß bleiben müsse, und daß Deutschland sich 
eine lange Okkupation mit allmählichem Abbau sichern solle, so daß 
zuletzt die flandrische Küste und Lüttich zu räumen wären. Im Osten 
beanspruchte er die Bug—Narew-Linie, ein Vorgelände bei Thorn 
und gegenüber Bentschen, eine Militärkonvention und ein Wirt¬ 
schaftsbündnis. Hintze konnte in diesen Forderungen eine Vermin¬ 
derung der Kriegsziele nicht erkennen. Er selbst schilderte die poli¬ 
tische Lage sehr ernst: Österreich-Ungarn moralisch und materiell er¬ 
schöpft, anspruchsvoll und unsicher, zum Abfall fertig; die Türkei 
schon seit Frühjahr 1918 in Kriegführung und Politik ihre eigenen 
Wege gehend. Ludendorff hielt diese Auffassungen für „schwarz¬ 
seherisch". 
Nach der Unterredung erklärte Hintze dem Reichskanzler, er 
müsse die Auffassung der O.H.L. zwar respektieren, könne sie aber 
nicht teilen; die außenpolitische Lage in Verbindung mit der mili¬ 
tärischen würde bei der Schwäche unserer Verbündeten Friedens¬ 
schritte nötig machen. 
Am 14. August 10 Uhr vormittags fand Kronrat im General- 
stabsgebäude statt. Zugegen waren der Kaiser, der deutsche Kron¬ 
prinz, der Reichskanzler, der Feldmarschall, General Ludendorff, 
Staatssekretär v. Hintze, außerdem Generaladjutant v. Plefsen, der 
Chef des Zivilkabinetts v. Berg und der Chef des Militärkabinetts 
Frhr. v. Marschall. Bor dem Kronrat hatte Hintze den Reichskanzler 
aufgesucht, ihm seine ernste Auffassung erneut dargelegt und ihn um 
Unterstützung seines Verlangens nach Ermächtigung zu Friedens¬ 
aktionen gebeten. Für den Fall, daß aus dem Kronrat eine solche 
Ermächtigung nicht hervorginge, werde er seine Entlassung erbitten. 
Darauf antwortete ihm Graf Hertling: „Aber dann lassen Sie mich 
alten Mann doch lieber zuerst gehen!" 
Im Kronrat schilderte zunächst der Reichskanzler die schwierige 
innere Lage, die kriegsmüde Stimmung, den Mangel an Ernährung 
und Bekleidung und betonte die Notwendigkeit der Wahlrechts¬ 
reform. Anschließend sprach Ludendorff über die Notwendigkeit 
strengerer innerer Zucht und über die Zusammenfassung der inneren 
Kräfte, forderte auch die Bestrafung des Fürsten Lichnowsky, der 
durch seine bekannte Denkschrift der Sache Deutschlands im Auslande 
großen Schaden zugefügt habe. Von der Kriegslage sagte er nichts. 
Nunmehr ergriff Hintze das Wort und schilderte die Lage auf 
Grund seiner eigenen Eindrücke. Danach waren die Neutralen kriegs¬ 
überdrüssig, die meisten von ihnen gefühlsmäßig auf den Sieg der
	        
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