Die zweite deutsche Offensive
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Armentiöres bei der 4. und 6. Armee des Kronprinzen Rupprecht
von Bayern. Wiederum war alles geschehen, was unter den gege¬
benen Umständen und in der verfügbaren Zeit möglich war. Trotz¬
dem zwang der Verbrauch an Menschen und Kriegsmitteln bei der
ersten großen Offensive jetzt schon dazu, eine Reihe abgekämpfter
Divisionen von der Michaelfront bei dem neuen Angriff wieder zu
verwenden. Die Zufuhr aus der Heimat und der Munitionsersatz
begannen zu stocken.
Der am 9. April begonnene Angriff der 6. Armee führte am
10. zur Erkämpfung des Überganges über die Lys und machte auch
in den nächsten Tagen gute Fortschritte. Der linke Flügel blieb
indes hängen, und schon am 19. April mußte die Heeresgruppe
Kronprinz Rupprecht die Einstellung des Angriffes und den Über¬
gang zur Abwehr beantragen. Dieser Antrag wurde von der O.H.L.
genehmigt, die indes noch die Wegnahme von Festubert und
Givenchy wünschte. Während diese mißlang, glückte es der 4. Armee,
am 25. April den Kemmel zu stürmen. Der Angriff des XVIII. und
X. Reservekorps wurde nach starker Artillerievorbereitung gegen
den 156 Meter über die flandrische Ebene hervorragenden Kemmel
mit glänzendem Erfolge durchgeführt. Es erwies sich aber als un¬
möglich, weiter vorzudringen, da der Feind sich erheblich verstärkte.
So mußte auch bei der 4. Armee der Kampf abgebrochen und am
1. Mai der Angriff eingestellt werden.
Die „Schlacht von Armentieres" war zu Ende und damit die
zweite Phase der großen Angriffsbewegung. Mit nur 36 Divisionen
hatte der Angriff in einer Breite von rund 40 km angesetzt werden
können. Jetzt waren nach großen taktischen Erfolgen günstige Aus¬
gangspunkte für eine spätere Fortsetzung der Offensive erreicht wor¬
den. Aber bei Armentieres war ein neuer, für die Verteidigung
ungünstiger Bogen entstanden, und der Gegner vermochte die neuen
Stellungen unter flankierendes Feuer zu nehmen.
Da neue Kräfte und frische Angriffsmittel für eine weitere
Offensive einstweilen in genügender Zahl nicht zur Verfügung stan¬
den, mußte notgedrungen eine längere Pause in den Operationen
eintreten. Trotz taktischer Erfolge hatte sich Deutschlands Gesamt¬
lage an der Westfront wiederum verschlechtert. Die großen Verluste
waren bedenklich. Die Ersatzlage litt nicht nur unter der tatsäch¬
lichen Erschöpfung des Mannschaftsbestandes, sondern auch unter der
nachlassenden Kriegsfreudigkeit. Im besonderen waren die aus der
Kriegsindustrie zurückgezogenen Arbeiter und die aus der russischen
Kriegsgefangenschaft zurückkehrenden Mannschaften für die schweren
Kampfaufgaben im Westen keineswegs ein zufriedenstellender Ersatz.
Schon in einem Schreiben der O.H.L. vom 15. Mai 1918 an die