Volltext: Das Weltkriegsende

24 Politik und Kriegführung bis zur Großen Schlacht in Frankreich 1918 
die ihrem Wirken nach den Gesetzen der Hierarchie gezogen sind. 
Darin lag die Gefahr, daß in der freieren Atmosphäre des Krieges 
Nachgeordnete Persönlichkeiten zu großem sachlichen und persönlichen 
Einfluß gelangen konnten. Zu allen Zeiten und in allen Feldherrn¬ 
stäben ist die gleiche Erscheinung beobachtet worden, wenn auch na¬ 
turgemäß in den kleineren Armeen früherer Jahrhunderte alles sich 
in kleinerem Rahmen abspielte, so daß im Großen meist nur von der 
Persönlichkeit des an höchster Stelle Verantwortlichen die Rede war. 
Selbst ein Mann wie Bismarck hatte 1866 und 1870/71 erhebliche 
Energie aufzuwenden, um sich gegen die höheren Generalstabsoffi¬ 
ziere im Großen Hauptquartier durchzusetzen. Trotzdem ist er nicht 
so weit gegangen, den selbständigen und kriegerischen Geist, den er 
sich als Gegner gegenüberfand, grundsätzlich zu verwerfen, sondern er 
hat es sogar für bedauerlich erklärt, „wenn diese Wirkung kriegeri¬ 
schen Geistes in der Armee nicht stattfände". Dieser werde gefähr¬ 
lich, meinte er, „nur unter einem Monarchen, dessen Politik das 
Augenmaß und die Widerstandsfähigkeit gegen einseitige und ver¬ 
fassungsmäßig unberechtigte Einflüsse fehlt". 
Unter den Persönlichkeiten, die über den Rahmen ihrer eigent¬ 
lichen Dienststellung im Großen Hauptquartier hinaus einen größe¬ 
ren Einfluß nicht nur erstrebten, sondern ausübten, ist in erster Linie 
der nach dem Weltkriege beim Kapp-Putsch beteiligte und später in 
China tragisch aus dem Leben geschiedene Oberst Bauer zu nennen. 
Ihm unterstand in der Hauptsache bei Beginn des Weltkrieges die 
Beschaffung der artilleristischen Ergänzung. Mit der stetig wachsen¬ 
den Ausgestaltung seines wichtigen Arbeitsgebietes, das er vortreff¬ 
lich betreute, gewann er immer größeren Einfluß, den er alsbald 
auch auf die Personenfrage ausdehnte. So hat er nach Ausweis sei¬ 
nes Buches „Der große Krieg in Feld und Heimat. Erinnerungen 
und Betrachtungen" (Tübingen 1921) an der Ersetzung des Generals 
Falkenhayn durch das Feldherrnpaar Hindenburg und Ludendorff 
einen nicht unerheblichen Anteil gehabt und zum Sturze des Reichs¬ 
kanzlers v. Bethmann Hollweg wesentlich beigetragen. Er war auch, 
wie hier vorgreifend bemerkt sei, die Hauptveranlassung dafür, daß 
der Kaiser im Januar 1918 sich von seinem Chef des Zivilkabinetts 
trennen mußte, hätte auch gern den Reichskanzler Grafen Hertling 
beseitigt, stieß hierbei aber auf den Widerspruch des Generals Lu¬ 
dendorff, der ihm erklärte, sie hätten sich Zusammenarbeit gelobt, 
und er wolle dieses Versprechen loyal halten. In dem Kronprinzen 
Wilhelm, dem er nahestand, erblickte Bauer den einzigen Mann, „der 
sah und sehen wollte". Ihm erklärte Oberst Bauer anfangs Februar 
1918, daß „der Kaiser unser Verhängnis sei, wei* er weder selbst 
zugriffe, noch fähige Leute an die entscheidende Stelle setze. Wir gin¬ 
gen in die Revolution und seines Erachtens müsse der Kaiser zu¬
	        
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