Volltext: Das Weltkriegsende

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Die rein politische Kriegsleitung 
lichkeit auf Sieg nur noch ein Teil, wenn auch sicherlich der wichtigste 
Teil, der Sorgen der deutschen Reichsleitung. Für die Auseinander¬ 
setzungen mit Wilson mußte somit die Entscheidung im Berliner Ka¬ 
binett von nun an das Maßgebende sein. 
Eine Frage drängt sich auf. Wäre es nicht möglich gewesen, daß 
bei dieser Lage der Dinge der Monarch mit starkem Entschluß nach 
der Last der obersten Leitung gegriffen und jetzt, gestützt auf das hohe 
Ansehen des Kaisertums und seine gewaltigen gefühlsmäßigen Werte, 
sich selbst zum diktatorischen Vollstrecker aller weiteren Entschlüsse 
aufgeworfen hätte? War etwas Derartiges nicht möglich? Hätte nicht 
die Berufung auf die furchtbare Notlage des Reiches und auf die her¬ 
annahende Vergewaltigung des deutschen Volkes die Mehrheit der 
Widerstände innerhalb des deutschen Volkes besiegen und alles zu 
einer gemeinsamen Abwehrfront zusammenschweißen können? Wenn 
überhaupt an irgend einer Stelle zu einer „levee en mu88e" aufge¬ 
rufen werden konnte, so war es von der höchsten Stelle aus am leich¬ 
testen möglich, die sich dann dazu entschließen mußte, über die wirk¬ 
liche Lage und über die in ihr liegenden Gefahren rückhaltlose Auf¬ 
klärung zu geben. Wir können die Frage nur stellen, aber nicht be¬ 
antworten. Die Dinge haben zu Deutschlands Unglück einen anderen 
Verlauf genommen. Der Dornenweg der Unterwerfung war bereits 
beschritten worden. 
Am 8. Oktober konnte man in Berlin mit dem baldigen Eingang 
der ersten Wilsonnote rechnen. Der Reichskanzler ließ Ludendorff 
bitten, nach Berlin zu kommen, da er besser als vor acht Tagen über 
die militärischen Grundlagen Bescheid wissen wollte, auf denen sich 
die weiteren Entschließungen aufzubauen hatten. Der General er¬ 
hielt bei seinem Eintreffen am 9. Oktober einen Fragebogen, der nach 
Ludendorffs Ansicht^ in seiner Genauigkeit unmöglich zu beantwor¬ 
ten, aber doch dafür charakteristisch war, „wie wenig die Herren in 
Berlin das Wesen des Krieges kannten." Die erste Wilsonnote ließ 
nach seiner Ansicht noch die Hoffnung zu, daß wir einen Frieden be¬ 
kämen, der uns nicht vernichtete. 
Die erste Note Wilsons. 
Die am 9. Oktober mit Funkspruch in Berlin eintreffende Note' 
gipfelte in dem Verlangen, sofort die Truppen überall aus den be¬ 
setzten Gebieten zurückzuziehen. Sie enthielt ferner die Frage, ob die 
deutsche Regierung die vom Präsidenten in seiner Botschaft vom 
8. Januar 1918 und in den folgenden Kundgebungen niedergelegten 
7 „Meine Kriegserinnerungen", S. 594. 
8 Amtliche Urkunden zur Vorgeschichte des Waffenstillstandes 1918, Nr. 37.
	        
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