Volltext: Im Felde unbesiegt

Deutsche Infanterie 
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fünf, sechs Granaten kleben wie Stoßvögel mit mächtigen Schwingen 
am (Schluchtt]ang. Kiesige Schnäbel und Krallen hauen in die Erde... 
Der Franzose sieht alles. 
Jetzt find wir dran. 
„Hopf hoch — Kaisermanöver! Das ist bloß der Ansang!" 
schreit mein Nebenmann. Ich kenne ihn gut: ein und ein halb Jahr 
Dienstzeit bei Kriegsausbruch, jetzt drei und ein halb Jahre Kriegs¬ 
dienst, macht fünf Jahre Soldat; zweimal verwundet, eine Frau 
und ein Kind, Geschäft in die Brüche; — einer von Dielen. Vater¬ 
land! Cos! 
Hinter uns saust eine Sage in den Wald, und wir sausen über 
die Brücke. Der dritte Zug folgt. Mährend wir uns drüben am 
Hügelhang sammeln, fetzt sich eine schwere Granate wuchtig und 
schwerfällig auf die Brücke wie ein Riese auf einen Puppenstuhl. 
ZDumm . . . Qucilmwoffe, Balken, Splitter. Das Gebälk ist Gesetz. 
Lin Offizier des abzulösenden Regiments ist drüben, zeigt auf 
einer Karte den weg und macht an den Stellen, die unter Sperrfeuer 
oder Feuerüberfällen liegen, verheißungsvolle Grabkreuze. 
„Sechs Erbbegräbnisse hat er gemalt," sagt einer. 
Mir werden bis nach vorn viel Nerven- und Seelenkräfte 
brauchen und verbrauchen. Humor, grimmigster Galgenhumor, 
völlige Gedankenlosigkeit, starre Ergebung und dazwischen wie 
funkelnde Blitze: das Vaterland, der Sieg. Wem dieser Blitz nicht 
strahlt und den Weg hellt, der verirrt sich in Nacht und Nebel. 
Wir treten an. . . 
3n breiter ZTTuIde auf unserm unerbittlichen Wege liegt ein 
düsteres Ungeheuer und atmet mit schwerwogenden, zuckenden 
Flanken, mit rauchendem Stoß und qualmigem Hauch des Atems und 
brüllt rastlos, unaufhörlich mit einer rasenden Gier des Hasses. 
Das Sperrfeuer! 
Niemand sagt ein Wort. Stumm geht der Bataillonskomman¬ 
deur voran, und mir folgen. Das tobende Wesen quer über der 
ganzen Breite der Mulde erwartet uns. Alle Gedanken verwehen 
wie ein Blatt im Sturm. Wir stürzen drauf los, der krachende Strudel 
tut einen Satz und verschlingt uns. 
Glühender Atemstoß, Hieb des Luftdrucks, blaffe Feuerbüschel, 
stickender (Qualm und eine betäubende Dämmerung von Sr6staub 
und Rauch rollt über uns weg und zerfetzt die Nacht unsrer Ge¬ 
danken. Die tust zerreißt unter Splittern und einem Gekrach, das 
schartig ist wie zerbrochenes Lisen und taufend Töne hat, vom 
Gebell ^erklirrender Scheiben bis zum Dröhnen fallender Fels¬ 
blöcke und stürzender Bäume. 
Wir tauchen auf aus dem Urwald von Tönen und Farben, 
Hitze, Schatten und wirbelnden Kreisen, und wir ordnen uns müh¬ 
sam mit verworrenen Gedanken. Sechs Soldaten meiner Kom¬ 
pagnie, der Bataillonsadjutant und noch einige fehlen. Sie liegen
	        
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