Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

Geschichte der Juden in Böhm. Kruniau. 
Bearbeitet von 
Rh. Prof. Dr. L. Hirsch, Böhm. Kruniau. 
INI ach den sehr spärlichen Quellen über die An- 
siedlung von Juden in Südböhmen steht fest, daß bis 
zum J. 1848 die Städte sich der Judenansiedlung hef¬ 
tig widersetzten. Hatte ein Jude in K. zu tun, so 
mußte er außerhalb der Stadt, zumeist in dem an der 
Kalschinger Straße gelegenen .,Hanelwirtshause" 
nächtigen, sich polizeilich melden und tagsüber seine 
Geschäfte erledigen, um dann wieder in seinen Wohn¬ 
ort zurückzukehren. Aus den Protokollen des Direk¬ 
torialamtes K. vom 26. August 1845 z. B. ist zu ent¬ 
nehmen, daß dem Famiiianten Abraham H á j e k aus 
Stahlec, p. B. Tabor, gemeldet hier, von seiner Gattin 
Juditha, Julie, geb. Kaff, am 19. August 1845 ein 
Knäblein geboren und diesem bei der Beschneidung 
am 26. August 1845 der Name „Salomon66 gegeben 
ward. Diese Familie Hájek, Kaff, dürfte nach den 
vorliegenden Urkunden aus dem J. 1845 mit zu den 
ältesten Judenfamilien gehören, die in der Vorstadt 
Spitzenberg wohnten und dort eine Betstube besaßen. 
Laut Inhalt dieser Protokolle war jede Matrikenein¬ 
tragung vom kathol. Seelsorger zu vidieren und dieser 
den Matrikenakt enthaltende Meldezettel dann dem 
zuständigen jüdischen Bezirks-Matrikenführer zur 
Eintragung in die jüd. Matriken zu übergeben. Laut 
Meldezettel vom 18. November 1850 ist Bernhard, 
Sohn der israel. Eheleute Samuel und Karoline Gaff 
(Kaff), am 13. Februar 1825 geboren worden. Hier 
fehlt der Ort, doch heißt es auf dem Zettel ausdrück¬ 
lich laut einem „bey der hiesigen Seelsorge verwahr¬ 
ten Auszuge64, so daß der Geburtsort wohl anderwärts 
zu suchen ist. Einem Totenbeschauzettel vom 6. De¬ 
zember 1855 ist der Tod des gestorbenen Simon Le¬ 
derer, Sohn des Lukas und der Fanny Lederer, geb. 
Weil, Kruniau, Gottesackergasse 48, zu entnehmen. 
Diese Familie Lederer stammte aus Radenin, pol. 
Bez. Tabor, und dürfte auch seit 1844 hier ansässig 
sein. Dann ist aus dem J. 1853 Familie Isak Möller 
aus Preharov, pol. Bez. Tabor, genannt, vom 28. Jän¬ 
ner 1858 Familie Bayer und Katharina L e w i t, 
ebenfalls Vorstadt Spitzenberg Str. 70 wohnhaft, fer¬ 
ner die Familie Jakob Bloch, Isak E i s n e r, Ema¬ 
nuel Fischi, Ignaz Spiro, Tobias Fessier. Die 
Zuständigkeit in der Gemeinde wird bei Familie La¬ 
zar L e w i t, Abraham Hájek u. a. ausdrücklich be¬ 
merkt. Auch die Tatsache, daß die Familien in ver¬ 
schiedenen Gassen wohnen, beweist, daß es hier kein 
Ghetto gab. Die Juden gehörten zur uralten Gemeinde 
Rosenberg, wohin sie auch zumeist beerdigt wurden. 
Die Matrikeneintragungen erfolgten manchmal in den 
Matriken der Zuständigkeit*- und Geburtsorte Rade¬ 
nin, Miskowitz. Es war dies ein Zug treuester An¬ 
hänglichkeit der Juden. Die Juden gründeten dann 
hier einen B. V., der dann zu der den ganzen politi¬ 
schen Bezirk Krumau umspannenden K. G. Kruniau 
umgewandelt wurde. Der eigentliche Begründer 
und Vorsteher dieser K. G. war Herr Fabrikant 
Ignaz S p i r o s. A. Dieser war in Kaienitz in Böhmen 
am 21. Juli 1817 geboren, widmete sich auf der Je- 
schiba in Kalladay talmudischen Studien und wollte 
Rb. werden, fürchtete aber trotz seiner tiefen Fröm¬ 
migkeit vielleicht doch nicht ganz diesem idealen Be¬ 
rufe gewachsen zu sein und wandte sich der Papier- 
erzeugung zu. Er kaufte hier die Papiermühle Pötsch 
an und durch Fleiß und Arbeitsfreude machte er mit 
seinen Söhnen aus einer kleinen Papiermühle ein von 
allen bewundertes Weltunternehmen. Einmal brannte 
die Fabrik ab, so daß sie mit großer Mühe wieder auf¬ 
gebaut werden mußte. Seine Söhne ließ er sorgfältig 
ausbilden: Ludwig wurde der kommerzielle Chef 
des Unternehmens, Dr. Emanuel der technische. 
Das Unternehmen stieg dank der gewissenhaften 
fachmännischen Leitung zu ungeahnter Höhe und 
bildet mit dem großen, ebenfalls von der Firma Spiro 
erbauten Elektrizitätswerke in Hohenfurt eine Se¬ 
henswürdigkeit, sowie sie tausenden Menschen Brot 
und Existenz gewährt. Als Ignaz Spiro am 24. Okto¬ 
ber 1894 seine Augen für immer schloß, hatte er das 
Bewußtsein, sein Bestes für die Gemeinde getan zu 
haben. Ein großer schöner Friedhof mit Bethalle 
ward unter seiner Amtstätigkeit gegründet, ein Tem¬ 
pelbaufond angelegt. Das Betlokal ward! durch fast 
50 Jahre im Diebeischen Waisenhause belassen. Erst 
die Erweiterung des Waisenhauses machte die Tem¬ 
pelbaufrage akut. Das Gotteshaus ward nach Ankauf 
eines Stück Gartengrundes im J. 1908/09 vom Archi¬ 
tekten Kafka in Prag und dem Baumeister Sosna und 
Maurermeister Hauber erbaut und 1909 feierlich ein¬ 
geweiht. Im Tempelbaukomitee waren u. a. die Her¬ 
ren Ludwig Spiro, Dr. Emanuel Spiro, Dr. 
Schwarz, Julius Spiro, Dr. K o h n, Dr. Loria. 
Ignaz Lederer, S. Kobias und Julius E p- 
stein. Jeder suchte mit Rat und Tat das Werk 
zu fördern. Tatsächlich bildet der Tempel eine 
Zierde der Stadt. Er besitzt einen weithin sicht¬ 
baren Turm und faßt zirka 140—180 Personen. Ein 
Harmonium, ein guter Chormeister und geschulter 
Chor sorgen für die Hebung der Andacht und Weihe. 
Zu den ersten T. V. gehörten Herr Jakob Bloc h, 
Ignaz L e d e r e r, Michael M e t z 1, Oberbezirksarzt 
Dr. Urbach, Max Knöpfelmacher. Die ersten 
beiden Herren verwalteten ihr Amt durch Jzt. bis zu 
ihrem Tode. 
C. Krumlov 1 4 
49 
Böhm. Krumau 1
	        
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