Geschichte der Juden in Böhm. Kruniau. Bearbeitet von Rh. Prof. Dr. L. Hirsch, Böhm. Kruniau. INI ach den sehr spärlichen Quellen über die An- siedlung von Juden in Südböhmen steht fest, daß bis zum J. 1848 die Städte sich der Judenansiedlung hef¬ tig widersetzten. Hatte ein Jude in K. zu tun, so mußte er außerhalb der Stadt, zumeist in dem an der Kalschinger Straße gelegenen .,Hanelwirtshause" nächtigen, sich polizeilich melden und tagsüber seine Geschäfte erledigen, um dann wieder in seinen Wohn¬ ort zurückzukehren. Aus den Protokollen des Direk¬ torialamtes K. vom 26. August 1845 z. B. ist zu ent¬ nehmen, daß dem Famiiianten Abraham H á j e k aus Stahlec, p. B. Tabor, gemeldet hier, von seiner Gattin Juditha, Julie, geb. Kaff, am 19. August 1845 ein Knäblein geboren und diesem bei der Beschneidung am 26. August 1845 der Name „Salomon66 gegeben ward. Diese Familie Hájek, Kaff, dürfte nach den vorliegenden Urkunden aus dem J. 1845 mit zu den ältesten Judenfamilien gehören, die in der Vorstadt Spitzenberg wohnten und dort eine Betstube besaßen. Laut Inhalt dieser Protokolle war jede Matrikenein¬ tragung vom kathol. Seelsorger zu vidieren und dieser den Matrikenakt enthaltende Meldezettel dann dem zuständigen jüdischen Bezirks-Matrikenführer zur Eintragung in die jüd. Matriken zu übergeben. Laut Meldezettel vom 18. November 1850 ist Bernhard, Sohn der israel. Eheleute Samuel und Karoline Gaff (Kaff), am 13. Februar 1825 geboren worden. Hier fehlt der Ort, doch heißt es auf dem Zettel ausdrück¬ lich laut einem „bey der hiesigen Seelsorge verwahr¬ ten Auszuge64, so daß der Geburtsort wohl anderwärts zu suchen ist. Einem Totenbeschauzettel vom 6. De¬ zember 1855 ist der Tod des gestorbenen Simon Le¬ derer, Sohn des Lukas und der Fanny Lederer, geb. Weil, Kruniau, Gottesackergasse 48, zu entnehmen. Diese Familie Lederer stammte aus Radenin, pol. Bez. Tabor, und dürfte auch seit 1844 hier ansässig sein. Dann ist aus dem J. 1853 Familie Isak Möller aus Preharov, pol. Bez. Tabor, genannt, vom 28. Jän¬ ner 1858 Familie Bayer und Katharina L e w i t, ebenfalls Vorstadt Spitzenberg Str. 70 wohnhaft, fer¬ ner die Familie Jakob Bloch, Isak E i s n e r, Ema¬ nuel Fischi, Ignaz Spiro, Tobias Fessier. Die Zuständigkeit in der Gemeinde wird bei Familie La¬ zar L e w i t, Abraham Hájek u. a. ausdrücklich be¬ merkt. Auch die Tatsache, daß die Familien in ver¬ schiedenen Gassen wohnen, beweist, daß es hier kein Ghetto gab. Die Juden gehörten zur uralten Gemeinde Rosenberg, wohin sie auch zumeist beerdigt wurden. Die Matrikeneintragungen erfolgten manchmal in den Matriken der Zuständigkeit*- und Geburtsorte Rade¬ nin, Miskowitz. Es war dies ein Zug treuester An¬ hänglichkeit der Juden. Die Juden gründeten dann hier einen B. V., der dann zu der den ganzen politi¬ schen Bezirk Krumau umspannenden K. G. Kruniau umgewandelt wurde. Der eigentliche Begründer und Vorsteher dieser K. G. war Herr Fabrikant Ignaz S p i r o s. A. Dieser war in Kaienitz in Böhmen am 21. Juli 1817 geboren, widmete sich auf der Je- schiba in Kalladay talmudischen Studien und wollte Rb. werden, fürchtete aber trotz seiner tiefen Fröm¬ migkeit vielleicht doch nicht ganz diesem idealen Be¬ rufe gewachsen zu sein und wandte sich der Papier- erzeugung zu. Er kaufte hier die Papiermühle Pötsch an und durch Fleiß und Arbeitsfreude machte er mit seinen Söhnen aus einer kleinen Papiermühle ein von allen bewundertes Weltunternehmen. Einmal brannte die Fabrik ab, so daß sie mit großer Mühe wieder auf¬ gebaut werden mußte. Seine Söhne ließ er sorgfältig ausbilden: Ludwig wurde der kommerzielle Chef des Unternehmens, Dr. Emanuel der technische. Das Unternehmen stieg dank der gewissenhaften fachmännischen Leitung zu ungeahnter Höhe und bildet mit dem großen, ebenfalls von der Firma Spiro erbauten Elektrizitätswerke in Hohenfurt eine Se¬ henswürdigkeit, sowie sie tausenden Menschen Brot und Existenz gewährt. Als Ignaz Spiro am 24. Okto¬ ber 1894 seine Augen für immer schloß, hatte er das Bewußtsein, sein Bestes für die Gemeinde getan zu haben. Ein großer schöner Friedhof mit Bethalle ward unter seiner Amtstätigkeit gegründet, ein Tem¬ pelbaufond angelegt. Das Betlokal ward! durch fast 50 Jahre im Diebeischen Waisenhause belassen. Erst die Erweiterung des Waisenhauses machte die Tem¬ pelbaufrage akut. Das Gotteshaus ward nach Ankauf eines Stück Gartengrundes im J. 1908/09 vom Archi¬ tekten Kafka in Prag und dem Baumeister Sosna und Maurermeister Hauber erbaut und 1909 feierlich ein¬ geweiht. Im Tempelbaukomitee waren u. a. die Her¬ ren Ludwig Spiro, Dr. Emanuel Spiro, Dr. Schwarz, Julius Spiro, Dr. K o h n, Dr. Loria. Ignaz Lederer, S. Kobias und Julius E p- stein. Jeder suchte mit Rat und Tat das Werk zu fördern. Tatsächlich bildet der Tempel eine Zierde der Stadt. Er besitzt einen weithin sicht¬ baren Turm und faßt zirka 140—180 Personen. Ein Harmonium, ein guter Chormeister und geschulter Chor sorgen für die Hebung der Andacht und Weihe. Zu den ersten T. V. gehörten Herr Jakob Bloc h, Ignaz L e d e r e r, Michael M e t z 1, Oberbezirksarzt Dr. Urbach, Max Knöpfelmacher. Die ersten beiden Herren verwalteten ihr Amt durch Jzt. bis zu ihrem Tode. C. Krumlov 1 4 49 Böhm. Krumau 1