Volltext: Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart I. (1 (1934) ;)

Geschichte der Juden in Pilsen. 
Bearbeitet von 
Rb. Prof. Dr. Max Hoch, Pilsen. 
Die königliche Bergstadt Pilsen (c. Plzeñ) stand 
ursprünglich dort, wo heute die Ortschaft Alt-Plzenec 
liegt. Unsere Stadt hieß Jahrhunderte lang Novy oder 
Nová Plzeñ, lateinisch Pilsna, auch Plzna, Pelsina. 
Wie der hiesige Chronist Martin H r u s k a berichtet, 
hatte Pilsen schon im J. 976 geschichtliche Bedeutung 
erlangt. Die Burg stand dort, wo heute Hurka, ein 
ruinenhafter Steinhaufen, ist. Erst zur Zeit Otto¬ 
kars II. breitete sich Neu-Pilsen aus. Beglaubigte Be¬ 
richte über die Geschicke dieser Stadt in den ältesten 
Zeiten fehlen gänzlich, aber vom 13. Jht. beginnt 
ihr mächtiger Aufschwung. 1272 erhebt Premysl 
Ottokar P. zur Stadt. 1310 wurde hier Johann, der 
Sohn des Kaisers Heinrich von Luxemburg, gegen 
Heinrich von Kärnten anerkannt und mit einer be¬ 
waffneten Schar nach Prag geleitet. Ein Bürger soll 
mit einem Beile das Tor von Prag geöffnet haben und 
wurde dafür Ratsherr. In den Hussitenkriegen bildete 
P. einen Mittelpunkt, die Mehrheit aber war gegen 
die Hussiten, wie überhaupt gleich hier betont werden 
soll, daß P. zumeist streng kath. gesinnt war, was um 
so bedeutungsvoller erscheint, als sich daraus die ge¬ 
ringe Bedeutung der hier in frühester wie in späterer 
Zeit lebenden Juden erklären läßt. Der Erhaltung der 
Archive wurde in P. ganz besondere Sorgfalt gewid¬ 
met, wie Josef Strnad in seinem „Listár" hervorhebt. 
Bei einem Brande im J. 1507 wurde die ganze Stadt 
eingeäschert, auch die Urkunden fielen den Flammen 
zum Opfer. Und als während des 30 jährigen Krieges 
Mansfeld von 1618—1621 hier weilte oder hauste, 
kam wieder sehr viel wertvolles Material abhanden. 
Die Privilegien sind bis heute erhalten, während die 
städtischen Bücher in den J. 1848—1850 in öffentli¬ 
cher Auktion als Makulatur verkauft wurden, wovon 
alle Chronisten unserer Stadt mit berechtigtem Be¬ 
dauern Erwähnung tun. Cista civitatis, der Gemeinde¬ 
schrein, wo die Bürger ihre Testamente hinterlegten, 
die Öriginaltestamente sind nicht erhalten, enthielt 
auch die fast vollständig erhaltenen Privilegien. Aus 
der Pfarrkirche wurden im J. 1546 die Urkunden 
der Stadt übergeben, als diese das Patronatsrecht er¬ 
hielt. Die Urkunden aus den Klöstern blieben wahr¬ 
scheinlich in Kriegszeiten im Stadtarchive stecken. 
Sprachlich ist von Interesse, daß das J. 1450 eine 
Grenzscheide bildet, später nämlich finden wir keine 
deutschen Urkunden mehr. Das Gerichtsbuch fliber 
judicii) im Landesmuseum, sign. 3 D 19 von 1407 bis 
1411, enthält gegen Ende Einschreibungen der Geräte 
und Kleidungsstücke, welche als Pfänder den Juden 
gegeben wurden, jedesmal mit Angabe der Höhe des 
Pfandes. Auch in den Stadtbüchern erlangt nach dem 
15. Jht. die cech. Sprache den Vorrang über die lat. 
Aus dem J. 1338: Karl, Markgraf von Mähren, be¬ 
fiehlt strenge dem Bürgermeister und den Ratsherren 
von Neu-Pilsen (rychtári a konselùm), daß sie nicht 
dulden sollen, die unter ihnen wohnenden Juden zu 
quälen, und wenn dennoch jemand wagen sollte, ge¬ 
gen diese Verordnung zu handeln, daß sie ihn strenge 
bestrafen. 
17. Sept. 1375: Dominus Zyfridus habet potestatem 
eandem pecuniam inter Judeos sive Christianos con- 
quirere. Dieser Zyfridus war Kreuzherr aus dem deut¬ 
schen Ritterorden und die gleiche Formel findet sich 
öfter: inter christianos vel judeos obligandi vel ven- 
dendi. Für den Zeitraum 1450—1526 fehlen zwei 
Drittel aller Urkunden, sie wurden angeblich später 
als Hüllen zu Zündholzschachteln verwendet. 
6. Jänner 1432. Die Judenältesten und die gesamte 
Gemeinde der Juden in P. kauften einen Platz von 
der Stadtgemeinde in P. auf der Skvrner Vorstadt für 
12 Schock Prager Groschen, damit sie hier ihren Fried¬ 
hof errichten. Ladman, Muse, Michal, die Ältesten 
und die ganze Gemeinde in der Stadt Nová Pilzna, ge¬ 
genwärtig und künftig dort Wohnende, sollten zwei 
Schock den Ratsherren und der Bürgerschaft (Ge¬ 
meinde) zahlen, die übrigen 10 je eins jährlich für sich 
und ihre Nachfolger (Erben) versprechen, am Georgi- 
tage ohne Aufschub. Also kauften die Juden in den 
gefährlichsten Zeiten einen Friedhofsplatz. 
1457 schenkt König Ladislaus der Gemeinde Neu- 
Pilsen alle Zahlungen und Abgaben, welche die in P. 
wohnenden Juden alljährlich an die königl. Kammer 
zahlten, damit diese Gelder zur Ausbesserung der 
Stadtmauern verwendet werden können. Die Über¬ 
schrift lautet wörtlich: List na Zidy. 
1461 ist eine Forderung auf dem Hause des Juden 
Zalman auf 50 Schock guten Silbers eingetragen, in 
drei Jahren zahlbar. Demselben Juden Zalman ist ein 
Vertrag ausgestellt: za jistinu i za lichvu i za vsecky 
veci 9 kop gr., für den Betrag für Zinsen und alle 
Sachen 9 Schock Gr. Unterschrieben der ehrwürdige 
Priester Tomásek, Pfarrer in Novy Plzen, und Jontoff, 
Jud aus P., und dieser Vertrag wurde geschlossen bei 
Frau Maretka, der alten rychtárka im Hause. Item 
sollen die Juden geben dem rychtár am St. Martini¬ 
tage von jedem Tische eine Stopfgans, zu Weihnachten 
ein Pfund Pfeffer und zu Ostern einen Gulden und 
ein Pfund Pfeffer. Das gleiche findet sich unter 1. Juli 
1462, wo König Georg das Schulzentum (rychtárství) 
bestätigt. Dort wird weiter geboten, item haben 
die Juden die Pflicht (obycej), beim rychtár im Re¬ 
gister ihre Pfänder einzuschreiben. Wer ein Pfand 
verkaufte und welcher Jude sie nicht ins Register ein¬ 
schriebe, soll dessen verlustig werden, oder das, wofür 
er es verkaufte, aber immer ohne Schädigung unserer 
königl. Rechte, denn wir wurden von glaubwürdigen 
Leuten berichtet, daß diese Nutznießungen von alters- 
her dieser rychta gehörten und gebührten. 
Am 20. Feber 1495 verschreibt der Jude Mekl seiner 
Stiefmutter Lea 60 Schock mis. auf seinem Hause in 
P. Mekl, Sohn des Jontoff, unser Jud, Haus Nr. 263 
in der heutigen Solni (Salzgasse) 262 Ecke der Solni 
und Sedlácková, daß sie das Vorrecht habe vor Juden 
wie vor Christen (aby mêla právo nejprvní pred zidy 
Plzeñ 1 
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Pilsen 1
	        
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