Geschichte der Juden in Pilsen.
Bearbeitet von
Rb. Prof. Dr. Max Hoch, Pilsen.
Die königliche Bergstadt Pilsen (c. Plzeñ) stand
ursprünglich dort, wo heute die Ortschaft Alt-Plzenec
liegt. Unsere Stadt hieß Jahrhunderte lang Novy oder
Nová Plzeñ, lateinisch Pilsna, auch Plzna, Pelsina.
Wie der hiesige Chronist Martin H r u s k a berichtet,
hatte Pilsen schon im J. 976 geschichtliche Bedeutung
erlangt. Die Burg stand dort, wo heute Hurka, ein
ruinenhafter Steinhaufen, ist. Erst zur Zeit Otto¬
kars II. breitete sich Neu-Pilsen aus. Beglaubigte Be¬
richte über die Geschicke dieser Stadt in den ältesten
Zeiten fehlen gänzlich, aber vom 13. Jht. beginnt
ihr mächtiger Aufschwung. 1272 erhebt Premysl
Ottokar P. zur Stadt. 1310 wurde hier Johann, der
Sohn des Kaisers Heinrich von Luxemburg, gegen
Heinrich von Kärnten anerkannt und mit einer be¬
waffneten Schar nach Prag geleitet. Ein Bürger soll
mit einem Beile das Tor von Prag geöffnet haben und
wurde dafür Ratsherr. In den Hussitenkriegen bildete
P. einen Mittelpunkt, die Mehrheit aber war gegen
die Hussiten, wie überhaupt gleich hier betont werden
soll, daß P. zumeist streng kath. gesinnt war, was um
so bedeutungsvoller erscheint, als sich daraus die ge¬
ringe Bedeutung der hier in frühester wie in späterer
Zeit lebenden Juden erklären läßt. Der Erhaltung der
Archive wurde in P. ganz besondere Sorgfalt gewid¬
met, wie Josef Strnad in seinem „Listár" hervorhebt.
Bei einem Brande im J. 1507 wurde die ganze Stadt
eingeäschert, auch die Urkunden fielen den Flammen
zum Opfer. Und als während des 30 jährigen Krieges
Mansfeld von 1618—1621 hier weilte oder hauste,
kam wieder sehr viel wertvolles Material abhanden.
Die Privilegien sind bis heute erhalten, während die
städtischen Bücher in den J. 1848—1850 in öffentli¬
cher Auktion als Makulatur verkauft wurden, wovon
alle Chronisten unserer Stadt mit berechtigtem Be¬
dauern Erwähnung tun. Cista civitatis, der Gemeinde¬
schrein, wo die Bürger ihre Testamente hinterlegten,
die Öriginaltestamente sind nicht erhalten, enthielt
auch die fast vollständig erhaltenen Privilegien. Aus
der Pfarrkirche wurden im J. 1546 die Urkunden
der Stadt übergeben, als diese das Patronatsrecht er¬
hielt. Die Urkunden aus den Klöstern blieben wahr¬
scheinlich in Kriegszeiten im Stadtarchive stecken.
Sprachlich ist von Interesse, daß das J. 1450 eine
Grenzscheide bildet, später nämlich finden wir keine
deutschen Urkunden mehr. Das Gerichtsbuch fliber
judicii) im Landesmuseum, sign. 3 D 19 von 1407 bis
1411, enthält gegen Ende Einschreibungen der Geräte
und Kleidungsstücke, welche als Pfänder den Juden
gegeben wurden, jedesmal mit Angabe der Höhe des
Pfandes. Auch in den Stadtbüchern erlangt nach dem
15. Jht. die cech. Sprache den Vorrang über die lat.
Aus dem J. 1338: Karl, Markgraf von Mähren, be¬
fiehlt strenge dem Bürgermeister und den Ratsherren
von Neu-Pilsen (rychtári a konselùm), daß sie nicht
dulden sollen, die unter ihnen wohnenden Juden zu
quälen, und wenn dennoch jemand wagen sollte, ge¬
gen diese Verordnung zu handeln, daß sie ihn strenge
bestrafen.
17. Sept. 1375: Dominus Zyfridus habet potestatem
eandem pecuniam inter Judeos sive Christianos con-
quirere. Dieser Zyfridus war Kreuzherr aus dem deut¬
schen Ritterorden und die gleiche Formel findet sich
öfter: inter christianos vel judeos obligandi vel ven-
dendi. Für den Zeitraum 1450—1526 fehlen zwei
Drittel aller Urkunden, sie wurden angeblich später
als Hüllen zu Zündholzschachteln verwendet.
6. Jänner 1432. Die Judenältesten und die gesamte
Gemeinde der Juden in P. kauften einen Platz von
der Stadtgemeinde in P. auf der Skvrner Vorstadt für
12 Schock Prager Groschen, damit sie hier ihren Fried¬
hof errichten. Ladman, Muse, Michal, die Ältesten
und die ganze Gemeinde in der Stadt Nová Pilzna, ge¬
genwärtig und künftig dort Wohnende, sollten zwei
Schock den Ratsherren und der Bürgerschaft (Ge¬
meinde) zahlen, die übrigen 10 je eins jährlich für sich
und ihre Nachfolger (Erben) versprechen, am Georgi-
tage ohne Aufschub. Also kauften die Juden in den
gefährlichsten Zeiten einen Friedhofsplatz.
1457 schenkt König Ladislaus der Gemeinde Neu-
Pilsen alle Zahlungen und Abgaben, welche die in P.
wohnenden Juden alljährlich an die königl. Kammer
zahlten, damit diese Gelder zur Ausbesserung der
Stadtmauern verwendet werden können. Die Über¬
schrift lautet wörtlich: List na Zidy.
1461 ist eine Forderung auf dem Hause des Juden
Zalman auf 50 Schock guten Silbers eingetragen, in
drei Jahren zahlbar. Demselben Juden Zalman ist ein
Vertrag ausgestellt: za jistinu i za lichvu i za vsecky
veci 9 kop gr., für den Betrag für Zinsen und alle
Sachen 9 Schock Gr. Unterschrieben der ehrwürdige
Priester Tomásek, Pfarrer in Novy Plzen, und Jontoff,
Jud aus P., und dieser Vertrag wurde geschlossen bei
Frau Maretka, der alten rychtárka im Hause. Item
sollen die Juden geben dem rychtár am St. Martini¬
tage von jedem Tische eine Stopfgans, zu Weihnachten
ein Pfund Pfeffer und zu Ostern einen Gulden und
ein Pfund Pfeffer. Das gleiche findet sich unter 1. Juli
1462, wo König Georg das Schulzentum (rychtárství)
bestätigt. Dort wird weiter geboten, item haben
die Juden die Pflicht (obycej), beim rychtár im Re¬
gister ihre Pfänder einzuschreiben. Wer ein Pfand
verkaufte und welcher Jude sie nicht ins Register ein¬
schriebe, soll dessen verlustig werden, oder das, wofür
er es verkaufte, aber immer ohne Schädigung unserer
königl. Rechte, denn wir wurden von glaubwürdigen
Leuten berichtet, daß diese Nutznießungen von alters-
her dieser rychta gehörten und gebührten.
Am 20. Feber 1495 verschreibt der Jude Mekl seiner
Stiefmutter Lea 60 Schock mis. auf seinem Hause in
P. Mekl, Sohn des Jontoff, unser Jud, Haus Nr. 263
in der heutigen Solni (Salzgasse) 262 Ecke der Solni
und Sedlácková, daß sie das Vorrecht habe vor Juden
wie vor Christen (aby mêla právo nejprvní pred zidy
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