Volltext: Die Stellung des Papsttums im Weltkriege [76]

„Die erste Frage ist die seit der Vollendung des Königreichs 
Italien nicht regulierte Stellung des Papsttums zu der europäischen 
Gesamtordnung, deren Schutz und Feststellung die Aufgabe der 
Großmächte ist. Das Königreich Italien hat sich der Staaten be¬ 
mächtigt, deren Souverän nach europäischer Ordnung einst 
der Papst war. Nach der Natur der Dinge scheint der Papst, 
der Italien nicht verlassen hat, damit ein Antertan des 
Königs von Italien geworden zu sein. Die italienische 
Regierung hat jedoch den schroffen Ausdruck dieses Verhältnisses 
für sich selbst nicht unbedenklich gesunden und daher den Versuch 
gemacht, das tatsächliche Verhältnis hinter einem von Italien er¬ 
lassenen Garantiegesetz zu verbergen, welches die Rechte des Papstes 
aus italienischem Boden feststellt. Da aber dieses Garantiegesetz, wie 
neuerlich immer nachdrücklicher betont wird, lediglich als Akt der 
inneren Souveränität Italiens aufgefaßt wird, so zeigt 
sich klar,' daß der Papst der italienischen Gesetzgebung 
unterworfen ist, und tatsächliche Vorgänge der neuesten Zeit 
haben nicht minder gezeigt, daß Auslegung und Anwendung des 
Garantiegesetzes, wie es nicht anders sein kann, von dem Geschick 
und dem guten Willen der italienischen Behörden 
abhängen... 
Aber die Folgerung, daß der PapstAntertan des Königs 
von Italien werden müsse, hat Europa bisher nicht gezogen. 
Das Verhältnis des Papstes zu dem Königreich Italien ist viel¬ 
mehr eine ungelöste Frage. Eine andere Frage ist, wie lange 
Europa einer gemeinsamen Lösung dieser Frage ausweichen und 
ob es dieselbe wie bisher den beiden Mächten, die sich in derselben 
zunächst berühren, der Kurie und der italienischen Regierung, 
immerfort allein überlassen kann. 
Die Entkleidung des Papstes vom weltlichen Besitz, die ihn 
tatsächlich zum Antertan einer einzelnen europäischen Regierung 
macht, kann dahin führen, das Ansehen des Papstes allerorten 
zu schwächen und damit die Festigkeit und den Einsiuß der römi¬ 
schen Kirche zu verringern oder auch eine Verfassungsänderung 
in dieser Kirche herbeizusühren... Es ist also eine durchaus 
ernsthafte Frage, ob es der europäischen Gesamtordnung förderlich 
ist, das Papsttum und damit das Schicksal der römischen Kirche 
von einer Anzahl Lokalentscheidungen, das heißt von den Gesetz¬ 
gebungen der Einzelstaaten abhängig zu machen, und selbst die 
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