Volltext: Die Stellung des Papsttums im Weltkriege [76]

ihre internen Angelegenheiten hineinreichen mußte, sich noch nicht 
völlig abgefunden hatten. 
Am möglichst jeglichem fremden Eingriff in die von ihr beab¬ 
sichtigte Ordnung der römischen Frage vorzubeugen, schien es für die 
italienische Regierung das beste zu sein, die katholischen Staaten 
Europas in dieser Lage durch ein „Fait accompli“ zu überraschen, 
aber auch zu beruhigen, sie gewissermaßen abzulenken. 
Italiens innere Lage drängte ebenfalls dazu. Es bestand die 
Befürchtung, daß eine radikale Strömung das ganze Gesetz er- 
schweren, eventuell verhindern würde, das nach dem Ausspruche des 
italienischen Tribunalgerichtshofes vom 16. August und 10. No¬ 
vember 1882 ja nur ein „Komplex von Privilegien" war. 
Zudem mußte Italien damals mindestens mit der Möglichkeit 
rechnen, daß der Papst sich zum Verlassen des Vatikans, zur 
Übersiedelung ins Ausland entschließen könnte. Für einen solchen 
Fall hatte England ihm im August 1870 ein Kriegsschiff zur Ver¬ 
fügung gestellt, den „Defenee" im Äafen von Civitavecchia, wollte 
ihm Bismarck im ärgsten Falle eine Zufluchtsstätte in Bayern ge¬ 
währen?") Statt froh zu sein, auf diese Meise unangenehmer und 
vielleicht folgenschwerer Komplikationen überhoben zu werden, lag 
vielmehr und liegt noch heute den Italienern ungemein an dem 
Verbleiben des Papstes in Rom?*) Die Anwesenheit des Ober¬ 
hauptes der Kirche schmeichelt ihrer Eitelkeit. Sie erscheint ihnen 
als ein ruhmvolles Überbleibsel der einstigen Weltherrschaft der 
alten Römer, deren Nachkommen sie sich mit mehr Stolz als 
Berechtigung nennen. Des weiteren ist zu erwägen: Die Anwesenheit 
des Papstes zieht eine Anmasse von Pilgern und sonstigen Fremden 
nach Rom. Dieses gewaltige Kontingent ihrer Fremdenindustrie 
bildet nachgewiesenermaßen die vornehmste Einnahmequelle des 
Landes; auf sie würden die Italiener, abgesehen von unbeugsamen 
Freimaurern und Radikalen, gutwillig nie verzichten wollen. 
Wohl in der stillen Hoffnung, Pius IX. vielleicht doch noch zu 
gewinnen, trug die italienische Regierung kein Bedenken, zu mög¬ 
lichster Vervollständigung der dem Papst gewährten persönlichen 
Souveränität durch eigenen Verzicht aus ihren Hoheitsrechten, 
aus ihren staatlichen Befugnissen, besonders hinsichtlich der Ktrchen- 
freiheit, tief in das Verfassungsrecht einschneidende Konzessionen 
zu machen. Zu solchen hätte sich weder damals noch sonst je ein 
anderer Staat entschlossen, keiner zu einer derartigen Beschränkung 
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