Volltext: Die Waise von Ybbsthal

Den Kmolern willst vor Allen 
Ein treuer Freund du sein; 
O möcht' auch ich gefallen 
Dir, liebes Jesulein! 
Ach, sieh mich arme Waise 
An deiner Krippe knie'n! 
Laß auf des Lebens Reise 
Zu dir —zu dir mich flieh'n!" 
Ein wildes Geschrei von draußen unterbrach plötzlich 
Luisens Gebet. Sie sprang erschreckt auf und eilte 
Fenster. Unten floß die Ubbs und wälzte schäumend und 
brausend ihre Wellen in dem felsigen Bette. Das war Alles, 
was Luise an dieser Seite des Hauses sehen und hören konnte. 
Hierauf schlug ein heftiger Windstoß an die kleinen Fenster 
und verhallte ächzend und klagend im Thäte; dann war es 
wieder stille. 
„Ich muß mich geirrt haben," sagte sie, aber ein 
schaurig banges Gefühl durchrieselte ihre Glieder. Sie trat 
in die Mitte der Stube und wagte kaum in die Dämmerung 
hinauszuschauen. Plötzlich — und jetzt viel deutlicher als 
zuvor — ließ sich das wilde Geschrei abermals vernehmen. 
Luise fuhr zusammen. „Ach, wenn nur meine Pflegemutter 
käme!" seufzte sie, „ich fürchte mich heute allein." 
Aber sieh dort! Was ist das für ein roter Schein, 
der das Stübchen auf einmal erhellt und das steile Mbs- 
ufer dort drüben so grell beleuchtet? 
Mit einem gellenden Angstschrei eilte Luise abermals 
ans Fenster. Der Wellenschaum des Flusses war glutrot 
gefärbt, und dort, wo das Wasser am Uferrande ruhiger 
floß, dort schienen Flammen aus dem Grunde heraus¬ 
zuschlagen. 
Weißenhofer. Die Waise vom Mbsthal. 
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