Volltext: Die Waise von Ybbsthal

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Sie pochte an die bereits verschlossene Thüre; ein Mädchen 
öffnete — es war Agnes. Beide Freundinnen erkannten 
sich sogleich an der Stimme und fielen einander in die 
Arme. Frau Gertrud kam mit einem Lichte aus der Stube 
und wurde so Zeugin des freudigen Wiedersehens der beiden 
Kinder. 
„Ei, was seh ich? — Jsts möglich — Luise?" rief 
sie im Tone der höchsten Ueberraschung und führte das 
Mädchen sogleich in die Stube. — Nachdem die ersten Be¬ 
grüßungen vorüber waren, gieng es an ein Fragen und 
Erzählen, daß es gar kein Ende nehmen wollte. Barbara, 
die alte Hausmagd, mußte indessen in der Küche ein Nacht¬ 
essen richten, und auch ein Bett wurde schnell bereitet. Das 
letztere besorgte Frau Gertrud selbst, während Agnes an 
der Seite ihrer Freundin saß und sie mit tausend Fragen 
bestürmte. Nach dem Essen mußte Luise ihre und ihrer 
Pflegemutter Geschichte, obwol sie zum großen Theile schon be¬ 
kannt war, umständlich mittheilen. Aber auch an Frau Gertrud 
und Agnes kam dann die Reihe zu erzählen, und es war 
nahezu Mitternacht geworden, als inan zu Bette gieng. 
Das Haus der Frau Gertrud war seit dem Brande 
nur notdürftig hergestellt worden. Das Feuer war zwar 
nicht in die Wohngemächer gedrungen, aber der Dachstuhl 
war niedergebrannt und vorläufig durch ein Notdach ersetzt 
worden. 
Frau Gertrud erwarb sich seit dem Tode ihres Mannes 
durch ihrer Hände Arbeit den nötigen Lebensunterhalt, 
wobei Agnes sie schon fleißig unterstützte. Barbara, obwol 
sie wegen ihres vorgerückten Alters nur wenig mehr arbeiten 
konnte, wurde doch zum Lohne für ihre langjährigen, treuen
	        
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