Volltext: Die Waise von Ybbsthal

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sind nur geringe TaglöhnersLeute und können dir außer 
Suppe und Brot und ein reinliches Bett nichts bieten, denn 
wir sind leider selbst arm." 
„O ich bin Euch schon dafür zeitlebens dankbar," 
entgegnete Luise, „daß Ihr heute mich aufgenommen habt, 
denn ich hätte sonst verhungern oder erfrieren müssen." 
Thränen füllten bei diesen Worten die Augen des 
Mädchens, und die dampfende Suppe schien auf einige 
Augenblicke vergessen. Aber die guten Leute rückten nun die 
Schüssel ganz ihrem Gaste hin, während sie selbst zu essen 
aufhörten. 
„Wir haben uns heute schon einmal satt gegessen," 
sagte Gottlieb, „du aber wol nicht; darum iß jetzt, unsere 
Abendsuppe soll dir gehören." 
Luise mußte gehorchen und essen, so schwer es sie auch 
ankam, die beiden Leute um ihre Abendkost verkürzt zu sehen. 
Nachdem zum Schluffe der Mahlzeit Alle-gemeinsam das 
Tischgebet verrichtet hatten, bereitete Martha ihrem Gaste 
das Bett, und nun gieng es ans Erzählen; aber Luise 
verriet bald so große Müdigkeit, daß man sie nicht zu Ende 
kommen ließ. 
„Du bist ein recht armes, aber braves Mädchen," sagte 
Gottlieb, „das sehen wir schon. Geh jetzt schlafen, die Ruhe 
thut dir vor Allem Not; morgen sollst du uns Alles um¬ 
ständlicher erzählen. Denn da unser Häuschen so klein ist, 
könnte es vielleicht doch geschehen, daß wir nicht sogleich Ein¬ 
quartierung bekommen, und dann kannst du bei uns bleiben, 
so lange wir selbst etwas zu leben haben." 
Luise küßte den guten Leuten gerührt die Hände, und 
nachdem sie noch kniend ein kurzes Nachtgebet verrichtet
	        
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