Volltext: Die Waise von Ybbsthal

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stimmte nicht mit dem schlichten Charakter des Gebirgs- 
städtchens, der sich überall in den einfachen, grauen Giebel¬ 
häusern ausprägte. 
Auf Luise machte der Anblick dieses Getriebes und 
Gewoges einen so gewaltigen Eindruck, daß sie ins Schwanken 
geriet, ob sie vorwärtsgehen oder umkehren solle. Allein 
die hereingebrochene nächtliche Dunkelheit, Kälte und Ermü¬ 
dung, sowie auch der Hunger, zwangen sie, in die Stadt 
hineinzugehen und eine Herberge zu suchen, so schwierig es ihr 
auch scheinen mußte, eine solche zu finden. Denn wie eine 
so große Menge Leute, wie sie auf den Straßen und Plätzen 
zu sehen war, untergebracht werden könne, ließ sich schwer 
begreifen. Luise drückte sich an die Häuserwände und bahnte 
sich zunächst den Weg in die „obere" Stadt. Aber dort 
war das Gedränge noch größer, und unübersehbare Reihen 
von Wagen hemmten überall den Verkehr. Die Menschen¬ 
menge staute sich alle Augenblicke, und nur mit großer An¬ 
strengung gelang es dem Mädchen, zum Mbsthore hinaus¬ 
zukommen. Außerhalb desselben zieht sich der Ubbs entlang 
eine doppelte Häuserreihe hin, und hier war das Gedränge 
der Leute lange nicht so groß als in der inneren Stadt. 
Luise entschloß sich, im nächst besten Hause um ein 
Obdach anzusuchen. Allein gleich ihr erster Versuch mi߬ 
lang; die Hausbewohner wiesen sie kurz mit der Bemerkung 
ab, sie hätten so viel Einquartierung, daß sie selbst auf dem 
Dachboden schlafen müßten. Eine ähnliche Antwort erhielt 
sie auch in mehreren anderen Häusern. Endlich kam sie, 
fast schon am Ende der Vorstadt, zu einem kleinen Häuschen, 
das ganz aus Holz gebaut war und von zwei armen Tag- 
löhnersleuten bewohnt wurde. Sie klopfte an. Ein Mann
	        
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