Volltext: Die Waise von Ybbsthal

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Unter solch quälenden Gedanken war Luise durch die 
Reihen der Soldaten und Wagen auf einen freien Platz 
neben der Straße gelangt. Sie blieb stehen und überlegte, 
ob sie nicht umkehren und dem Oberst das Geld zurückgeben 
sollte. Da vernahm sie einen Trompetenstoß, und im nächsten 
Augenblicke sah sie die ganze feindliche Reitertruppe sich in 
Bewegung setzen. Nun war an eine Rückkehr zum Oberst 
nicht mehr zu denken. 
Luise schob die Goldstücke, die sie soeben mit bedenklicher 
Miene betrachtet hatte, wieder in die Tasche und schickte sich 
an zu gehen. Kaum aber war sie auf der Straße an¬ 
gelangt, blieb sie abermals stehen; sie wußte ja nicht, wohin 
sie eigentlich gehen sollte. So oft sie auch im Laufe des 
Tages an ihre Pflegemutter gedacht hatte, so konnte sie sich doch 
nicht entschließen, nach Hause zurückzukehren, denn sie hatte 
ja mit eigenen Augen die zertrümmerte Hausthüre und die 
eingeschlagenen Fensterscheiben gesehen. Wenn sie sich dann 
auch noch die traurige, öde Brandstätte daneben vorstellte, 
so schwand vollends jede Hoffnung, die Pflegemutter in dem 
Häuschen anzutreffen. 
So stand sie denn da, die arme Waise, von allen 
Menschen verlassen, ohne Heimat, ohne Obdach. Der kalte 
Wind trieb ihr die Schneeflocken ins Gesicht, und vergebens 
suchte sie ihre starren Hände in den Falten ihres Tuches zu 
erwärmen. 
„O mein Gott," seufzte sie, ,,was wird aus mir 
werden? Wohin soll ich gehen? Es wird Abend, und noch 
weiß ich nicht, wo ich bleiben und für die Nacht ein Obdach 
finden werde. Und ach, auch zu essen habe ich nichts, und 
doch fühle ich mich nun auch schon von Hunger ermattet.
	        
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