Volltext: Linzer Hessen

Die firzte hotten rastlos zu arbeiten. Jeder versorgte, wen 
man ihm gerade brachte. Und dann ging das Verbands¬ 
material aus. Ivan muß das miterlebt haben, um zu emp¬ 
finden. was das bedeutet. Va niemand sagen konnte, wo 
Sanitätsmaterial nachzuschaffen wäre, konnten nur notdürf¬ 
tige verbände gemacht werden. Und doch wußten wir, daß 
gerade aus den ersten verband ungeheuer viel ankommt, Ls 
war ein niederdrückendes Gefühl für die flrzte. Im späteren 
Verlauf des Krieges ist es uns unverständlich erschienen, daß 
wir uns da nicht Vat zu schaffen wußten, da wir doch in 
einem vorfe waren. Später hätten wir in einem solchen Salle 
einfach ein paar vasten Leinwand in Streifen geschnitten und 
diese mit dem Vügeleisen zur vot sterilisiert, flber am ersten 
eigentlichen kriegstag hielten wir uns noch an das verbot, 
im eigenen Lande etwas ohne Vezahlung zu nehmen, vieses 
verbot, über das der Krieg später einfach hinweggeschritten 
ist, brachte uns am 28. flugust 1814 auch noch in anderer 
Einsicht in Verlegenheit, vie verwundeten bekamen siunger. 
Wohl fuhren Leidküchen vorbei, aber die hatten den Vefehl. 
das Essen zu den Kompagnien zu bringen. Lür den lzilfsplah 
war nichts „sgstemisiert". Wohl liefen Schweine, Vinder und 
Ledervieh genug herum, aber wer sollte für so viele kaufen! 
ks waren ja bei Z00 österreicher und bei 288 Russen bei uns. 
Ich muß bemerken, daß im vergleich zu späteren Lagen der 
Hunger nicht ganz so fürchterlich gewesen ist, denn einer half 
dem anderen mit Seid, der oder jener verwundete lIffizier 
kaufte eine Sans und die VLuerinnen brachten, gerührt von 
dem nie geschauten wassenelend, Milchkanne um Milch¬ 
kanne. flber am 28. flugust 1814 war man eben noch der 
etwas unkriegerischen flnficht, daß täglich die Menage kommen 
müsse, womöglich zum „Llf-Uhr-Läuten". 
Vas Regiment hatte draußen einen vielfach überlegenen 
Leind besiegt und war diesem nachgezogen, wohin, wußten 
wir in lIserdöw nicht, denn an eine Verbindung mit dem 
Regimentskommando hatte niemand gedacht, wir erfuhren 
aber doch, daß das Regiment gegen Liski gezogen sei. wo 
aber mochte Liski sein? wir stellten fest, daß eine Karte ein 
gar nühlich Ving sein könne, hatten aber keine. So wurde 
denn ein flrzt mit einer flbteilung Vlessiertenträger ausge¬ 
sandt, um Liski zu entdecken und um das Regiment zu finden. 
Line Rote-Kreuz-Zahne flatterte auf einer langen Stange dem 
Zuge hoch voran. 
„Vie Vivistons-Sanitätsanstalt übernimmt die verwun¬ 
deten des HilfsplaHes und löst ihn ad." So stand im 
Reglement zu lesen, ver flbschub der verwundeten sollte 
uns also keine Sorgen machen. Vie Vivisions-Sanitäts- 
anstalt kam aber nicht. Vie hatte wohl einen anderen 
weg genommen und uns überholt. Tatsächlich arbeitete 
sie schon im kjerrenhaus zu Liski, derweil wir noch im 
pfarrhause zu Vserdüw auf fie warteten. Zufällig erfuhren 
wir, daß in Velr ein Spital sei. wir führten den flbschub 
einfach nun selber durch, wir ließen die Vauern einspannen 
und sie troh ihres bald erwachenden Widerstrebens fleißig 
fahren, flls dann auch aus dem Spital vlessiertenwägen 
kamen, ging die Sache flott. 
Vas erste Gefecht des Heffenregimentes war auch schon ein 
glänzendes Ruhmesblatt in seiner Seschichte, denn es hatte 
gesiegt! flls flrzt konnte ich mich des Sieges nicht so recht 
freuen, da ich das Gefühl hatte, als habe der Sanitätsdienst 
versagt. TTUt der zunehmenden kriegserfahrung wurde dieses 
Gefühl zur Überzeugung. Vei aller Strenge der Selbstkritik 
kann ich an dieser Tatsache niemandem eine Schuld beimessen, 
denn die firzte hatten sich an die Vorschriften gehalten und 
diese wieder waren geschaffen, ehe jemand wußte, wie es im 
neuzeitlichen Kriege zugeht. 
Ich habe mich beim ersten Sefechte deshalb aufgehalten, 
weil es zur örundlage unserer kriegserfahrung wurde, auf 
Srund der wir den Sanitätsdienst beim Regiment — frei von 
jeder Schablone — so gestalteten, daß Verwundete und flrzt 
zufrieden sein konnten. 
vie Trennung des Hilfsplahes in eine Schwer- und Leicht¬ 
verwundetenstation ist beim ersten Gefecht ganz von selber 
verschwunden, wir haben sie im ganzen verlaufe des Krieges 
nur in sehr seltenen Lösten wieder vorgenommen, ks hat sich 
immer wieder gezeigt, daß bei jedem Gefecht zuerst ein großer 
Zustrom von Leichtverwundeten erfolgt, dann versiegt dieser 
und der Zustrom der Schwerverwundeten seht ein. vies ist 
damit zu erklären, daß die Leichtverwundeten selbst den lzilfs- 
plast aufsuchen können, während die Schwerverwundeten müh¬ 
sam geborgen und dann ebenso mühsam getragen werden 
müssen. 
Vie Lrkenntnis, daß die Rote-Kreuz-Lahne den Hilfsplah 
nicht vor Beschießung schiltst, kam nur allmählich, da wir von 
der Unverlehlichkeit des Völkerrechtes zu überzeugt waren. 
Ich will heute gar nicht behaupten, daß es den Russen um 
die Beschießung des Hilfsplayes zu tun war. wir waren eben 
taktisch zu harmlos in der Wahl des Brtes. Ver Begriff 
„eingesehen" war uns noch fremd, vei der flufstellung des 
ffilfsplahes bedachten wir nur seine zentrale Lage im Regi¬ 
ment und den Respektsabstand von der Leuerlinie. Rur all¬ 
mählich lernten wir, daß sich der Hilfsplah nicht der feindlichen 
Sicht aussehen darf, da der Verkehr dort ein zu reger ist. vie 
weit sichtbare Rote-Kreuz-Lahne verschwand bald, wir 
lernten, die Hilfsplähe an wegen anzulegen, die der Ver¬ 
wundete kommen mußte, va genügte dann eine einfache 
Bezeichnung am Hause. wir wußten bald vom „Vatterien- 
suchen" der feindlichen flrtillerie und vermieden daher die 
Rüste von Batteriestellungen. Bald erkannten wir den aus¬ 
gezeichneten Beobachtungsdienst der Russen und verwahrten 
uns entschieden, wenn eigene Reserven in nächster Röhe des 
Hilfsplastes bereitgestellt wurden. Mit der zunehmenden 
Kriegserfahrung wurde uns auch klar, daß der Leind mit Vor¬ 
liebe, wenn auch nicht mit viel Logik, Punkte beschoß, die im 
Belände besonders auffielen, wir lernten daher die Nähe von 
Brücken, Windmühlen und Straßengabeln meiden und waren 
lieber in einem schmutstgen Bauernhaus, als in einem guten 
Meierhof. Und je mestr wir das alles verwerteten, um so 
seltener lag der Hilfsplost im Zielfeuer des Leindes. Voch da¬ 
mit sind wir den kreignissen weit vorausgeeilt, denn ehe wir 
das alles mit Ueberlegung anwandten, war es 1915 ge¬ 
worden. 
Schon das erste Gefecht hatte uns gezeigt, daß man nie 
genug Vorräte an Verbandsmaterial haben Könne, weil die 
Verluste im einzelnen Lall nicht vorausgesehen werden Können. 
Vie ordnungsgemäße Laffungsstelle des verbandsmateriales 
war die Vivistons-Sanitätsanstalt. Ihr Standort mußte daher 
genau bekannt sein, wenn sich auch der erfahrene Truppen¬ 
arzt nicht aus sie verlassen durfte, flber die Verbindung mit 
der Vivisions-Sanitätsanstalt blieb unter allen Umständen, 
wichtig, besonders wegen des flbschubes der verwundeten. 
Lreilich ging es selten so schön, wie es das Reglement vorsah, 
daß nämlich die Vivisions-Sanitätsanstalt den Hilfsplast ab¬ 
zulösen und seine verwundeten zu übernehmen habe. Meist 
war auch im Bewegungskrieg nach vorwärts der Hilfsplast 
mit verwundeten längst überfüllt, ehe an ein vorrücken ge¬ 
dacht werden konnte. Bei einem Rückzug war hievon über¬ 
haupt keine Rede, flußerdem muß der Hilfsplast der Truppe 
unter asten Umständen überallhin folgen, während der schwer¬ 
fällige Körper einer Vivisions-Sanitätsanstalt an fahrbare 
Wege gebunden ist. ver Verwundetenabschub wurde von 
selbst zur besonderen flufgabe des Truppenarztes und wurde 
wegen seiner Wichtigkeit und Schwierigkeit, zumal an 
schweren Befechtstagen, zum Maßstab für die seldärztliche 
Tüchtigkeit desselben. 
Last noch wichtiger als die Verbindung mit der Vioi- 
sions - Sanitätsanstalt erwies sich die mit dem eigenen 
4SI
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.