Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Zweiter Band. (Zweiter Band)

Die Geschichte des Weltkrieges 1914/13. 
(Fortsetzung.) 
Sogleich bei Beginn der zweiten Einschließung von 
Przemysl (vgl. auch Seite 183) hatte General v. Kus 
manek eine genaue Einteilung der Verpflegungsvorräte 
angeordnet und die Rationen an Brot und Konserven 
festgesetzt. Der Kommandant sah wegen der zu er 
wartenden neuen Belagerung streng darauf, daß im 
Festungsbereich nur solche Bürger verblieben, die über 
genügende Nahrungsmittelvorräte verfügten. Es waren in 
Przemysl getzt 128 000 Mann und 14 500 Pferde zu ver 
pflegen, sowie auch fast 18 000 Menschen der Zivilbevölke 
rung und 2000 Gefangene zu versorgen. Das Verpflegungs 
wesen wurde alsbald streng geregelt. Offiziere und Mann 
schaften erhielten die gleiche Kost. Alle Hotels und Speise 
wirtschaften wurden geschlossen. Der einzige Erholungsort 
war ein Kaffeehaus, in dem jeder Gast nur einmal täglich 
ein Glas Tee oder Kaffee mit einem Stück Zucker erhielt. 
Anfang Januar erfolgte eine namhafte Herabsetzung der 
Verpflegungsrationen. Gleichzeitig begann man mit der 
Verweuduug von Pferdefleisch sowie zu Mehl verarbeitetem 
Hafer, sowohl für die Offiziers- als mich für die Mann 
schaftsverpflegung. 
In militärischen Kreisen, wo inan genau wußte, welche 
Proviantmengen vor der gänzlichen Einschließung in die 
Festung geschafft worden waren, war man wegen ihres 
Schicksals lebhaft besorgt. Doch hoffte man immer noch, 
Przemysl entsetzen zu können. Aber Wochen und Monate 
verflossen, und immer schmäler wurden die Vorräte. Mit 
Grauen sahen die tapferen Verteidiger den Tag heran 
kommen, an dem sie sich würden ergeben müssen. Am 19. März 
wurde, obwohl die Truppen schon sehr durch Hunger ge 
litten hatten, mit der alten Tapferkeit ein letzter Ausfall 
unternommen. Die Russen antworteten mit einem Sturm, 
bei dem sie wiederum zahllose Opfer vor den Toren ließen. 
Der Personalstand auf österreichisch-ungarischer Seite vor dem 
erwähnten letzten Ausfcll betrug 44 000 Mann Infanterie 
und Artillerie (zu zwei Dritteln Landsturmtruppen), ferner 
45 000 auf Grund der Kriegsleistungsgesetze eingestellte 
und in militärischer Verpflegung stehende Arbeiter, 
Kutscher, Pferdeknechte; dazu kam das Eisenbahn- und 
Telegraphenpersonal, sowie schließlich 28 000 Mann Kranke 
und Verwundete in den Lazaretten. Die Armierung der 
Festung bestand aus im ganzen 1050 Geschützen aller 
Kaliber, von denen die Mehrzahl aus den Jahren 1861 
und 1875 stammte, also veraltet war. Die letzten Vor 
räte wurden am 18. März verteilt. Am Vorabend des 
19. Mürz wollte man den Tapferen noch eine Wohltat er 
weisen. Die Leute erhielten aus den letzten Beständen je 
zwei Konservenbüchsen, aber bei den meisten verweigerten 
die hungernden Mägen die Aufnahme. Viele wurden 
krank, manche starben. Dem Kommandanten wollten die 
Braven noch ein Zeichen der Treue und Liebe erweisen: 
man briet die letzte vorhandene Brieftaube und schickte sie 
ihm. Kusmanek dankte und ließ die Taube einem krank im 
Lazarett liegenden Kameraden zukommen. 
So konnte denn das bittere Ende nicht ausbleiben, und 
am 22. März brachte der österreichisch-ungarische General- 
stab folgende amtliche Meldung: 
Rach viereinhalbmonatiger Einschließung am Ende ihrer 
Kraft angelangt, ist die Festung Przemysl am 22. März 
in Ehren gefallen. 
Als die Verpflegungsvorräte Mitte dieses Monats 
knapp zu werden begannen, entschloß sich, wie gesagt, 
General v. Kusmanek zum letzten Angriff. Die Ausfall 
truppen brachen am 19. zeitig morgens über die Gürtel 
linie vor und hielten in siebenstündigem Gefecht gegen 
starke russische Kräfte bis zum Äußersten stand. Schließlich 
zwang sie die Überlegenheit der Zahl zum Zurückgehen 
hinter die Gürtellinie. In den folgenden Nächten gingen 
die Russen gegen mehrere Fronien von Przemysl vor. 
Diese Angriffe brachen, wie alle früheren, in dem Feuer 
Der Kommandant von Przemysl mit seinem Stabe. Phvt. Carl Seebalo, W-en. 
Von links nach rechts Obere Reihe: Oberleutnant Alois Zimmermann, Oberleutnant Ludolf Ulbrich, Leutnant Herbert Schlegel, Leutnant Alfred Nachuta, 
Leutnant Georg Ausspitz, Leutnant Schanzer. — Mittlere Reihe: Oberleutnant Andreas Puchner, Oberleutnant Felix Hölzer, Hauptmann Alfred Lukfch, 
Unterintendant Joseph Freiherr v. Tkalezewich, Hauptmann Joseph Kurz v. Traubenstein, Rittmeister Hugo Freiherr de Pont, Leutnant Rudolf Massig, 
Freiherr Gustav Schnabl. — Untere Reihe: Oberleutnant Nr. Wlodimierz Ritter v.Blazovsky, Hauptmann Hubert Kurz, Intendant Alois Rausch, Exzellenz 
Hermann Kusmanek v. Burgneustätten, Oberstleutnant Ottokar Hubert, Hauptmann Friedrich Zwiedinek, Hauptmann Gustav v.Kubik, 
Amerikan. Copyright 1915 by Union Deutsche Verlagsgesellichast in Stuttgart. 
II. Band. 
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