Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Zweiter Band. (Zweiter Band)

Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
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abgenommen 3300, den Franzosen 1300, den Russen 850 
und den Engländern 60 Stück. 
Rechnet man von dieser riesigen Beute die schweren 
Geschütze ab, so ergibt sich immer noch eine Zahl, die in 
ihrer Gesamtheit den Feldgeschühpark jeder einzelnen der 
drei feindlichen Großmächte erheblich übertrifft. Mit anderen 
Worten ließe sich also sagen, daß wir bis jetzt schon wenig 
stens einer der drei gegnerischen Großmächte sämtliche 
Feldgeschütze entrissen haben. 
Aber hiermit sind die feindlichen Geschützverluste noch 
nicht erschöpft. Es steht fest, daß die Belgier und Engländer 
vor der Übergabe Antwerpens mehrfach Geschütze versenkt 
haben,'von denen dann später wenigstens ein Teil durch das 
Freiwillige Motorbootkorps wieder gehoben wurde. Weit 
beträchtlicher ist jedoch zweifellos die Zahl der Geschütze, 
die die Russen auf ihrer Flucht in die Seen Masurens 
warfen oder die in den Sümpfen stecken geblieben sind. 
Ziemlich heiter verging der Vormittag. Der eine besorgte 
seine Briefschaften, andere kochten Kaffee, und wieder andere 
legten sich zur Ruhe. — Gegen Mittag hatte aber die fran 
zösische Artillerie anscheinend unsere Schützengräben als 
Ziel genommen, und einen Eranatengruß nach dem anderen 
schickten sie uns zu. So genau schossen sie, daß es unmöglich 
war, im Schützengraben zu verbleiben. 
Mein Feldwebel, neben dem ich lag, beauftragte mich, 
ihm die Befehle des Adjutanten zu holen. Aus dem Donner 
der Geschütze heraus verstand ich nur die Worte, die der 
Adjutant mir zurief: „Sofort zum Sturm." Dies teilte ich 
meinem Feldwebel mit, und er ordnete eiligst den Sturm an. 
Schon waren wir ein gut Stück vorgegangen, und die 
feindliche Artillerie bedachte den von uns verlassenen 
Schützengraben immer noch mit einem heftigen Eranaten- 
regen. Doch als die Feinde unser Vorgehen bemerkten, 
setzte Schühenfeuer ein, und die unheimlichen Geschosse 
Schutzstellung einer französischen Jnfanterieabteilung in einer trichterförmigen Geländevertiefung während einer Gefechtspause. 
Links ein Sappeneingang. 
Hunderte der erbeuteten Geschütze sind bereits von der 
deutschen Industrie für unsere Zwecke wieder hergerichtet 
worden und öffnen ihre Schlünde an der Front gegen ihre 
ehemaligen Herren. Ein Blick auf die Höfe des Kruppschen 
Unternehmens zeigt die Unmenge derer, die auf fachmän 
nische Behandlung und erneute Indienststellung warten. 
Da stehen in dem einen Hof 400 russische Feldgeschütze und 
107 französische Festungsgeschütze, in dem anderen 400 fran 
zösische und englische Feldgeschütze. Außer Krupp ist noch eine 
Reihe anderer Fabriken in gleicher Weise tätig. Geschütze, die 
felddienstunfähig geworden sind, werden als Altmetall umge 
gossen und erstehen in verjüngter Form als deutsche Kanonen. 
Vier Franzosen 
von einem kleinen Schwaben gefangen. 
Die Sonne strahlte majestätisch in unseren Schützen 
graben, den wir in der vergangenen Nacht, so um die 
Geisterstunde, fertiggestellt hatten, und wo wir nun am 
Sonntagmorgen ein wenig ruhten. Voraussichtlich sollten 
wir den ganzen Tag hier zubringen und erst gegen Abend 
den vor uns liegenden feindlichen Schützengraben stürmen. 
schwirrten zu Tausenden durch die Luft. Da, etwa 30 Meter 
vor dem feindlichen Schützengraben, hieß es: „Stellung, 
sich einschanzen." Dies konnte ich nicht so recht begreifen, 
ich dachte, wo wir so nahe daran wären, könnte man doch 
vollends weiter stürmen. Kurz besann ich mich, ob wir nicht 
ohne Befehl die so nahe vor uns befindliche Stellung nehmen 
sollten. Ich tauschte einige Worte mit meinen sächsischen 
Kameraden, sprang vor, aber leider allein, und hüpfte 
wenige Minuten später hinab in den feindlichen Graben! 
Da bot sich mir ein Bild dar, das ich nie in meinem 
Leben vergessen werde: fast der ganze Graben war voll 
von lauter anscheinend toten Rothosen. Doch mir kam die 
Sache ziemlich verdächtig» ja unheimlich vor. Aber was 
konnte ich als einziger Deutscher in dem Graben machen? 
Wenn auch eine Anzahl der Franzosen schon vor meinem 
Eintreten Reißaus genommen hatte, so war doch die Lage, 
in der ich mich befand, immerhin recht schlimm. Vorsichtig 
näherte ich mich einem, dessen Glieder sich bewegten. 
Ich gab ihm mit dem Gewehrkolben einen Stoß in den 
Rücken, noch einen zweiten; dann erst bequemte er sich, die 
Augen aufzuschlagen und die rauhe Wirklichkeit verblüfft 
anzustaunen: es war ein Leichtverwundeter. Im selben
	        
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