Die Geschichte des Weltkrieges 1914/15
jFortsetzung.)
Auf Seite 163 haben wir bereits mitgeteilt, daß sich die
verbündete englische und französische Flotte vor den Darda
nellen gelagert hatte, die Türken also auf einen kräftigen
Vorstotz gefaßt sein mutzten. Diese trafen alsbald die nötigen
Gegenmaßnahmen. Schon am 9. Januar kam aus Mytilene
die Nachricht, daß die Forts der Dardanellen eine heftige
Beschießung auf die feindliche Blockadeflotte eröffnet hatten.
Nach dem mißglückten Vordringen eines französischen Tor
pedojägers am 1. Januar hatte
am 5. Januar wieder ein solcher
versucht, näher zu kommen; er
wurde aber mit Eeschützfeuer
empfangen und mutzte schwer
beschädigt fliehen. Am 16. Ja
nuar teilte das türkische Große
Hauptquartier mit, daß das
französische Unterseeboot „Sa
phir", das sich dem Eingang
der Dardanellenstratze zu nähern
versucht hatte, durch die tür
kische Artillerie zum Sinken ge
bracht worden sei. Ein Teil der
Besatzung konnte gerettet wer
den. — Die Maßnahmen der
verbündeten Flotte hatten, wie
schon die vorläufige Beschießung
im Dezember, nur den Zweck,
den Stand und die Stärke der
türkischen Batterien sowie son
stige Einzelheiten festzustellen,
über die man zu einer wirk
samen Beschießung und zur
Erzwingung der Durchfahrt
unterrichtet sein mußte. Daß
die Türken diese Absicht der
verbündeten Flotte erkannt und
durchkreuzt haben, zeigte sich
in der Folge.
Von Beginn des Krieges
an war der Dreiverband eifrigst
bemüht, durch Bitten, Drohun
gen und Versprechungen Bun
desgenossen zu werben. Er hat
aber nirgends etwas erreicht. Namentlich konnte das Liebes-
werben des Dreiverbandes um die Türkei nicht verhindern,
daß diese sich auf unsere Seite stellte. Das nunmehrige
Vorgehen bei den Dardanellen bezweckte hauptsächlich,
Rumänien, Bulgarien, Italien und Griechenland dem
Dreiverband zuzuführen. Man wollte in die Dardanellen
eindringen, Konstantinopel erobern und hoffte, die ge
nannten Staaten würden dann schon deshalb dem Drei
verband beitreten, weil sie fürchten würden, sonst bei der
Verteilung der türkischen Beute leer auszugehen.
Die freie Dardanellendurchfahrt war stets das Ziel der
Wünsche sowohl Rußlands wie auch der Westmächte. Bloß
die gegenseitige Eifersucht hat dazu geführt, daß der Türkei
das Amt des Hausbesorgers
und damit der Schlüssel zum
Schwarzen Meere einerseits
und zum Mittelmeere ander
seits in die Hand gegeben
wurde. Geschichtliche und mili
tärgeographische Einzelheiten
über die Dardanellen brachte
unser Artikel Band I Seite 495.
Die nunmehrige Schließung
der wichtigen Verkehrsstraße
durch die Türkei bereitete den
Verbündeten schwere Unge
legenheiten. Weder konnte rus
sisches Getreide vom Schwarzen
Meere nach England gelangen,
noch vermochten England und
Frankreich ihrem an Kriegs
materialnotleidenden russischen
Verbündeten Waffen zuzufüh
ren. Es war also für den Drei
verband eine Lebensfrage, die
Durchfahrt durch die Darda
nellen zu erzwingen. Darüber
hinaus aber mußte die Türkei
damit rechnen, daß der Fall
Konstantinopels unausbleiblich
sein werde, wenn es der ver
bündeten Flotte gelang, in der
Meerenge vor der Stadt zu
erscheinen. Doch konnte die
osmanische Regierung der Ent
wicklung der Dinge in Ruhe
entgegensehen, da die Darda
nellenbefestigungen so stark
sind, daß nach Ansicht aller Fachleute eine Erzwingung
der Durchfahrt fast ausgeschlossen erscheint.
Am 19. Februar um halb neun Uhr morgens nahm die
englisch-französische Flotte nach einer längeren Pause seit
Mitte Januar ihre Tätigkeit wieder auf. Vier englische
Phot. Curt Ranitzsch.
Türkische Meldereiter in Gallipoli.
Phot. Gebrüder Haeckel, Berlin.
Zur Beschießung der Dardanellen durch die englisch-französische Flotte.
Der Eingang der Dardanellen/ auf der Anhöhe türkische Forts.
Amerikan. Copyright 1915 by Union Deutsche Verlagsgesellschaft in Stuttgart.
II. Band.
37