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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15.
Pbot. A. Grohs, Berlin.
Türkische Infanterie vor den? Palaste des Sultans, fertig zum Abmarsch nach dem
Kriegschauplatz.
die Angreifer verfolgten die Russen in der Richtung auf
Urmia.
Um dieselbe Zeit erfuhr man, daß der persische Kurden
führer Jlhani, den die Russen seit langem zu gewinnen
trachteten, nach dem Einzuge der türkischen Truppen in
Saud-Bulagh mit seinem ganzen Stamme, ungefähr
10 000 Mann, zur ottomanischen Armee übergegangen sei,
um gegen die Russen zu kämpfen. Bei Sarai, einem Orte
im russischen Gouvernement Rjchan, hatten sich am 14. De
zember Kämpfe um die russische Stellung entwickelt, die
am 15. dazu führten, daß die Türken diese Stellung er
oberten und in Sarai einrückten. Die Russen versuchten
nun, auf dem linken Ufer des Tschuruk vorzugehen, wurden
aber auch hier von den Türken nach fünfstündigem Kampfe
vertrieben.
Richt besser erging es ihnen bei Id, wo sie die türkische
Grenze überschritten hatten. Sie wurden hier und bei Olty
zurückgeschlagen und genötigt, ihre Stellungen fluchtartig
zu räumen. Dem Sieg über die Russen bei Olty und Id
wurde in Konstantinopel die größte Bedeutung beigemessen.
Mit diesem Sieg war der ganze rechte Flügel der russi
schen Kaukasusarmee von Batum bis Id über die Grenze
geworfen. Infolgedessen begann auch schon der Rückzug des
russischen Zentrums, dessen Verbindungen durch die Be
setzung von Id bedroht waren. Die Russen waren genötigt,
sich hier auf Sank am Jsch, der letzten Station der Eisen
bahn nach Kars, zurückzuziehen.
Auch die türkische Flotte war unterdes nicht untätig ge
blieben. Bereits am 18. November war sie ausgelaufen, um
die russische Flotte aus ihren Verstecken zu locken. Sie traf
diese auf der Höhe von Sewastopol. In dem
Kampf, der sich entwickelte, wurde ein rus
sisches Schlachtschiff ernstlich beschädigt. Die
übrigen russischen Kriegschiffe ergriffen, von
den türkischen verfolgt, die Flucht.
Am 20. November bombardierte der Kreu
zer „Hamidie" die russischen Petroleumdepots
und zerstörte die Station für drahtlose Tele
graphie in Tuapse, einem Ort in der Nähe von
Noworossijsk. Wie Noworossijsk beschossen
wurde, erfahren wir aus einem uns freund
lichst zur Verfügung gestellten Kriegstagebuch,
in dem es heißt:
K., den 3. Dez. 1914.
Teuerste Mutter!
Heute lasse ich einen kleinen Auszug meines
Kriegstagebuches folgen, der Dir die Be
schießung von Noworossijsk schildert. Es ist
uns jetzt amtlich erlaubt worden, darüber zu
sprechen.
Nach pünktlicher Erledigung eines Auftrags
dampfen wir mit 18 Seemeilen Fahrt nach
Noworossijsk, wo wir den Russen zum zweiten
Frühstück unsere Granatäpfel präsentieren
sollen. Auf der Fahrt gehen heftige Regen
böen nieder, so daß zeitweise das Land auf
kurze Dauer außer Sicht kommt, und so nähern
wir uns, selbst teilweise von strömendem
Regen verhüllt, unheilbringend der Stadt.
Als wir dann gegen ein viertel elf Uhr in
die Bucht von Noworossijsk einfahren, klart
der Himmel auf. Einzelne Sonnenstrahlen
huschen über die Stadt, die jetzt noch, fried
lich von hohen Bergen umgeben, sich in ihrer
bunten Farbenpracht vor unseren Blicken
entrollt. Ein anderer kleiner türkischer Kreu
zer, der vorausgesandt war, um, wenn
möglich, Kohlendampfer aus dem Hafen zu
holen, meldet, daß nur russische Dampfer im
Hafen liegen, mit Ausnahme der größten,
eines Holländers und eines Engländers, zu
sammen an einem Pier. Glück im Unglück
für den letzteren. Denn so können wir ihm
nicht den Todesgruß senden, ohne den neu
tralen Holländer zu beschädigen. Der andere
Kreuzer nimmt das Fort unter Feuer, des
fluchtartig verlassen wird, und vernichtet die
Funkenstation.
Kurz vor elf Uhr drehen wir in der Nähe
der Mole bei und eröffnen unserseits das Feuer.
Ein etwas abgesonderter großer, weißer Petroleumtank wird
zum Einschießen ausersehen. — „Zielwechsel". — Kurz
nach dem Aufblitzen des Schusses an Bord ein kleines Wölk
chen an Land, und aus der Mitte des Zieles sieht man
deutlich einen dicken weißen Strahl hervorschießen. Der
Tank läuft aus. Der erste Volltreffer. Nun greift auf
Befehl auch das zweite und dritte Geschütz der Steuer
bordseite mit ein, und erbarmungslos sausen die Geschosse
in die großen Behälter.
Jeder Schuß ein Treffer! Eine mächtige Explosion er
folgt, und man sieht deutlich weiße Teile des Behälters in
die Luft geschleudert und zurückfallen. Wieder ertönt es:
„Zielwechsel rechts" — und dicke Feuergarben, unter
mischt mit schwarzem Rauch, lassen die Wirkung unserer
Granaten erkennen. Wer je den Vesuv in Natur oder auf
Bildern in Tätigkeit gesehen hat, findet hier ein würdiges
Gegenstück, das in seiner grausamen Schönheit jenen An
blick noch bei weitem übertreffen mag. Und während Ver
nichtung und Tod an Land wüten, späht man hier an Bord
nach neuen Zielen. Andere Tanke und Schuppen, dann
die im Hafen liegenden Schiffe, eins nach dem anderen,
kommen an die Reihe. Bald züngeln da und dort die
Flammen empor, und-der dicke, schwarze Rauch zieht über
die Stadt, um sich hoch oben zu einer mächtigen, schweren,
tiefschwarzen Wolke zusammenzuballen.
Wir haben längst gedreht, und die Backbordgeschütze
haben ihre Brüder auf der anderen Seite abgelöst. Eine
schneeweiße Wolke bezeichnet die Explosion in einer Kessel
anlage, in der vor Stunden vielleicht noch Menschen eifrig
geschafft haben. Vereinzelt sieht man solche zu Fuß und zu