Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Neunter Band. (Neunter Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/18. 
General v. W'nkerfeldL, 
Mitglied der deutschen Waffenstill 
standsabordnung , früher deutscher 
Militärattachö in Paris. 
Graf v. Oberndorf, 
Mitglied der deutschen Waffenstill 
standsabordnung, vorher deutscher Ge 
sandter in Bulgarien. 
Hauptquartier. Am 9. November nachmittags wurden sie 
der deutschen Regierung in Berlin bekannt. 
Die bisherige Volksregierung bestand um diese Zeit 
allerdings schon nicht mehr, denn die deutsche Revolution, 
die einen großen Teil Deutschlands gerade während des Be 
ginnes der Waffenstillstandsverhandlungen überzog, hatte in 
den Mittagstunden des 9. Novembers auch sie gesprengt. 
Die Bewegung war am 3. November in Kiel zum Aus- 
bruch gekommen. Infolge eines Mißverständnisses, nach 
dem ein Befehl zum Auslaufen der Flotte als Eröffnung 
eines letzten Verzweiflungskampfes der deutschen Seestreit- 
kräfte aufgefaßt worden war, begannen die Besatzungen 
mehrerer Kriegschiffe zu meutern. Nach Massenversamm 
lungen, bei denen Verbrüderungen mit Arbeitern statt 
fanden, zogen sie zur Militärstrafanstalt, um 
deren Insassen zu befreien. Unterwegs trat 
ihnen ein Zug Militär unter Führung eines 
Leutnants entgegen. Dieser forderte die 
Menge auf, auseinanderzugehen, und ließ, 
da dies nicht geschah, nach Abgabe einer 
Schrecksalve scharf schießen. Dadurch wurden 
8 Personen getötet und 29 verwundet. Die 
Aufrührer setzten sich zurWehr; sie erschossen 
den Leutnant und verwundeten mehrere Sol 
daten durch Steinwürfe. 
Der Vorfall hatte eine höchst aufreizende 
Wirkung unter den Kieler Matrosen und Ar 
beitern. Der Matrosenaufstand wurde allge 
mein und griff auch auf die Landtruppen 
über. Von vier Infanteriekompanien, die 
zur Wiederherstellung der Ordnung nach 
Kiel geschickt worden waren, gingen drei so 
fort zu den Aufständischen über, die vierte 
wurde entwaffnet. Inzwischen brachten die 
Matrosen die meisten im Kieler Hafen lie 
genden Schiffe in ihre Gewalt und setzten 
darauf die rote Flagge. Nur kleinere Fahr 
zeuge entkamen nach Häfen der deutschen 
Ostseeküste. 
Die Arbeiter machten mit den Matrosen gemeinsame 
Sache und verhängten über Kiel den Generalstreik. Ar 
beiter und Soldaten rissen bald die Gewalt über die Stadt 
an sich und behielten sie auch nach Aufnahme der Verbin 
dung mit Vertretern der Regierung. Der Reichstags 
abgeordnete Noske, der zur Entgegennahme der Wünsche 
der Aufständischen nach Kiel gereist war, bekam die Bewe 
gung aber in die Hand und ordnete sie so, daß weiteres Blut 
vergießen unterblieb. Plünderern wurde der Tod durch 
Erschießen angedroht. 
Von Kiel aus wurde die Aufstandsbewegung planmäßig 
über den ganzen Norden und Nordwesten Deutschlands ver 
breitet. Abteilungen bewaffneter Matrosen reisten nach den 
größeren Städten, besetzten die Bahnhöfe und andere Ver 
kehrsmittelpunkte, suchten Anschluß an die Garnisonen 
sowie an die organisierten Arbeiter und richteten überall 
Arbeiter- und Soldatenräte ein. 
Kapitän z. S. Vanselow, Geheimrat Frisch, 
Mitglied der den scheu Waffenstill- als Vertreter der deutschen Zentral 
standsabordnung. Einkaufs-Gesettschait zur Unterhand 
lung mit Foch ausersehen. 
Bereits in den ersten Tagen der Woche gewannen sie 
auch in Hamburg die Oberhand und dehnten ihre Macht 
über Mecklenburg nach Osten aus. Gegen Ende der Woche 
befand sich fast ganz Nordwestdeutschland in der Linie von 
Köln bis nach Magdeburg in den Händen der Arbeiter- und 
Soldatenrüte. Während die Bewegung auch auf Süddeutsch 
land übersprang und sich in München (siehe die Bilder Seite 
317 und 318 oben), Stuttgart und anderen Städten aus 
breitete, schien die Reichshauptstadt noch ruhig zu bleiben. 
In vielen Aufrufen mahnten Regierung und Sozialdemokra 
tischer Parteivorstand täglich, kühles Blut zu bewahren. Um 
die Massen zu beruhigen, forderten die Führer der Sozialdemo 
kraten die Abdankung des Kaisers und den Thronverzicht des 
deutschen Kronprinzen bis zum 8. November mittags. Als 
bis zu dieser Stunde die Abdankung nicht 
erfolgt war, beschlossen die Berliner Arbeiter 
den Ausstand. Die Führung der Sozialdemo 
kratie hielt die zugesagte Fristverlängerung 
für das Ultimatum an den Kaiser bis nach 
Abschluß des Waffenstillstandes nicht ein und 
die sozialdemokratischen Mitglieder der Re 
gierung traten zurück. Erst am 9. November 
mittags machte der Reichskanzler bekannt: 
„Der Kaiser und König hat sich entschlos 
sen, dem Throne zu entsagen. Der Reichs 
kanzler bleibt noch so lange im Amte, bis die 
mit der Abdankung des Kaisers, dem Thron 
verzicht des Kronprinzen des Deutschen 
Reiches und von Preußen und der Einsetzung 
der Regentschaft verbundenen Fragen gere 
geltsind.Erbeabsichtigt, dem Regentendie Er 
nennung des Abgeordneten Ebert zum Reichs 
kanzler (siehe Bild Seite 316) und die Vorlage 
eines Gesetzentwurfes wegen der sofortigen 
Ausschreibung allgemeiner Wahlen für die 
verfassunggebende deutscheNationalversamm- 
lung vorzuschlagen, der es obliegen würde, 
die künftige Staatsform des deutschen Volkes 
einschließlich der Volksteile, die ihren Eintritt 
in die Reichsgrenzen wünschen sollten, endgültig festzustellen." 
Noch anZelben Tage strebten die sozialdemokratischen Par 
teien in Berlin einen Ausgleich untereinander an, um Schritte 
zur Ausrufung des Deutschen Reiches als Republikeinzuleiten. 
Bayern, wo Eisner (siehe Bild Seite 316) Ministerpräsident 
wurde, und Braunschweig waren schon am 8. November als 
Republiken erklärt worden. 
Die Reichsämter waren nach dem Beschluß der Volks 
beauftragten wie folgt besetzt worden: 
Auswärtiges Amt: Dr. Solf (siehe Bild Seite 154); 
Reichsschatzamt: Schiffer (siehe Bild Seite 316); 
Reichswirtschaftsamt: Dr. August Müller (siehe Bild 
in Bänd VII Seite 177); 
Reichsamt für die wirtschaftliche Demobilisation: Dr. 
Koeth; 
Kriegsernührungsamt: Emanuel Wurm; 
Reichsarbeitsamt: Bauer (siehe Bild Seite 227); 
Der amerikanische Oberst House, 
von den: Präsidenten Wilson zu feiner 
Vertretung nach Europa gesandt.
	        
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