Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Neunter Band. (Neunter Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/18. 
Dann besorgten die Belgier, unter denen das Jungweibliche, 
geputzt und in Stöckelschuhen, vorherrschte, ihre Gänge, oder 
sie standen plauschend auf der Gasse. Zwischen ihnen pulste 
das frischfröhliche Soldatenleben just wie daheim zu Ma 
növerzeiten im Städtchen, das keine Garnison besaß. Es 
gab aber einen Unterschied zwischen den Menschen in dieser 
Stadt. Militär und Zivil ging kühl aneinander vorüber. 
Diese Kühle der Belgier war zurückzuführen auf Förmlich 
keiten, auf Vorurteile, auf Klatschsüchteleien der Mit 
menschen. Darum wahrten sie nach außen hin den Schein 
echter Feindseligkeit zu den deutschen Soldaten. Hinter den 
Quartiermauern wich diese Schranke naturgemäß von selbst. 
Notgedrungen mußten sich Gespräche, Fragen und Ant 
worten entwickeln zwischen den Menschen, die unter einem 
Dache wohnen. Es brauchte nichts Arges zu sein, und auch 
das Vaterland geriet nicht in Gefahr. Jeder Soldat wußte 
Madame Bunk wohnte in standesgemäßer Hinsicht recht 
kümmerlich. Ihr erstes Heim hatte eine Fliegerbombe der 
ihrem Heimatlande Verbündeten zerstört. Sie war aus 
gezogen in eine andere vornehme Straße der kleinen Stadt. 
Zwei Zimmer mußte sie hier für deutsche Einquartierung 
abtreten. Sie alle mußten das tun ohne Murren. Und 
daß sie nur das Notwendigste in diesen Zimmern ließen» 
war begreiflich. Der Feldsoldat ist mit wenigem zu 
frieden. — Madame Bunk und Tochter hielten sich vom 
frühen Morgen bis in den späten Abend hinein in der — 
Küche auf. Die Küche diente ihnen als Wohn-, Eß- und 
Damenzimmer und Salon. 
Madame Bunt erzählte viel und gern, fraglos sehnte sie 
sich nach Zerstreuung. 
Sie war von voller Erscheinung und trug ein Kleid, 
das so schwarz war wie ihr Haar, das, wellig gescheitelt, tief 
Erstürmung eines englischen Maschinengewehrnestes. 
Nach einer Originalzeichnung des Kriegsteilnehmers Albert Reich, München. 
ohnehin, wieweit ihm das Verbot des Verkehrs mit Zivil- 
bewohnern hierin Spielraum ließ. 
Und es hätte wohl auch keine Behörde Einwendungen 
dagegen erhoben, daß wir bei so ungemütlichem Wetter, 
wie es draußen durch die Straßen zog, der Einladung der 
„Quartiergeberin", am angewärmten „Herd" zu verweilen, 
dankend Folge leisteten. Denn die Zimmer für die Ein 
quartierung waren leblos und kalt. 
Madame Bunk also war die achtunddreißigjährige Gattin 
eines schon in den Oktoberkämpfen 1914 in Flandern ge 
fallenen belgischen Majors der Infanterie. Sie hatte eine 
kleine reizende siebzehnjährige Tochter Ninette. Beide 
sprachen leidlich deutsch, Madame Bunk aber "bedeutend 
fließender denn die Tochter. — Der Krieg hat überall die 
Bevölkerung des besetzten »Gebietes im Westen scharf an 
gepackt. Und wohl nur das Vermögen, sich leicht über 
alles Ungemach hinwegzusetzen, hat die Leute die eingewur 
zelte Hoffnung auf bessere Zeiten noch nicht aufgeben lassen. 
über die Stirn herabhing. Ihre großen schwarzen Augen 
blickten lebhaft auf jeden, mit dem Madame Bunk sprach. 
Sie stammte eigentlich aus Luxemburg und stand von dort 
aus sogar in verwandtschaftlichen Beziehungen mit deutschen 
Offiziersfamilien. Dies ließ wohl auch erklären» daß sie 
Unterhaltung mit Deutschen suchte. Und hochmütig war 
sie durchaus nicht. Der Krieg hatte sie mehr denn je auch 
mit dem belgischen niederen Volke zusammengebracht, sie 
scherzte im Krämerladen mit der langen dünnen Madame 
Rampont wie mit der dicken Schlächtersmadame Bouriere, 
sie klagte mit der Arbeiterfrau Leman von Kriegsnöten wie 
alle anderen. Das Standesbewußtsein war in ihren Kreisen 
schon in Friedenszeiten nicht so scharf ausgeprägt wie in 
Deutschland. Madame Bunk schwärmte gern von den Tagen 
des Friedens, von den Festen im Kasino. Sie erzählte sogar 
von Hochzeits-und Familienfesten. Sprach und lachte. Und 
unmittelbar darauf rollten Madame Bunk zwei Tränen über 
die geröteten Wangen» wenn sie von ihrem Gatten sprach.
	        
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