Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914. 
Deutsche Vorhut in St. Amand auf dem Vormarsch nach Lille. 
Foto: Vereenigde Fotobureaux, Amsterdam. 
sollen. Jetzt naht sich eine lange Reihe von eroberten 
französischen Kanonen dem Bahnhof. Bayrische Land 
sturmleute (München I) mit der schwarzen Mühe und dem 
goldenen Kreuz darauf ziehen zerschossene, zerbeulte 
Kanonen oder noch mit Schrapnellen gefüllte Protzen zur 
Eüterrampe. von wo sie als Siegesbeute nach den Haupt 
städten verteilt werden. 
Auf einmal sieht man eine Bewegung unter den Offi 
zieren, Soldaten, Verwundeten am Bahnhof; Zeitungen 
kommen zur Verteilung, die man begierig erhascht, um 
sie später ebenso begierig zu lesen; nichts ist ja dem Sol 
daten willkommener, als wieder einmal von der Welt da 
draußen etwas zu erfahren. 
So lebhaft geht es in einer Etappe zu, und so vielseitig 
sind ihre Vermittlungsdienste zwischen Heimat und Front. 
Die Reiterschlacht bei Lille. 
lHierzu öie Bilder Seite 293—295 und die Karte Seite 292.) 
Die französisch - englischen Versuche, unseren rechten 
Flügel auf dem westlichen Kriegschauplatze zu umgehen, sind 
dank der guten Führung, der Ausdauer und Tapferkeit 
unserer Truppen alle kläglich gescheitert. Sie haben durch 
das immer weiter nach Norden sich richtende Ausgreifen 
des Feindes nach und nach dahin geführt, daß sich der 
nordwestliche Flügel der riesigen Schlachtfront bis an das 
Gestade der Nordsee ausdehnte. Das hat eine ganz 
neue Lage geschaffen, die nach dem Fall der Festung Ant 
werpen dadurch noch verwickelter wurde, daß die Trümmer 
der englisch-belgischen Besatzungsarmee über die beiden 
Häfen Ostende und Dünkirchen nach Nordfrankreich zu 
entkommen trachteten, was unsere Truppen, die diesen 
Resten dicht auf den Fersen blieben, nur teilweise zu ver 
hindern vermochten. Während nun auf der ganzen übrigen 
Front die Möglichkeiten moderner Feldbefestigungskunst in 
Geltung traten, so daß weder in der Mitte, noch auf unserem 
linken Flügel entscheidende Erfolge erzielt wurden, waren 
unsere Truppen am äußersten rechten Flügel in unaufhör 
licher Bewegung, die, da der Feind hier überall in die Ver 
teidigungstellung gedrängt wurde, schließlich zur Bildung 
einer langgestreckten Schlachtfront zwischen Nieuport—Dir- 
muiden—Ppern und südlich davon bis La Bassoe führte. 
In Voraussicht alles dessen setzte aber unsere Armee 
leitung zuvor schon starke Streitkräfte gegen Lille in Be 
wegung, und hier, westlich dieses umstrittenen Platzes, kam 
es schon vor den Kämpfen entlang dem Pserkanal zum 
Schlagen. Unter diesen Zusammenstößen sind zwei Reiter 
schlachten besonders bemerkenswert, über die das deutsche 
Hauptquartier sich nur kurz ausließ: „Westlich Lille ist von 
unserer Kavallerie am 10. Oktober eine französische Kaval 
leriedivision völlig, bei Hazebrouck eine andere franzö 
sische Kavalleriedivision unter schweren Verlusten geschlagen 
worden." 
Ein Italiener, der französische Korrespondent des 
„Mattino", hatte Gelegenheit, den Anmarsch unserer 
Truppen zu beobachten. Er hatte sich wenige Tage zuvor 
in Lille aufgehalten, um sich in eigener Person davon zu 
überzeugen, ob ein in Paris verbreitetes Gerücht, man 
sei in der nordwestlichen Ecke Frankreichs im Begriff, ein 
neues französisches Heer zu bilden, auf Wahrheit beruhe; 
seine Mitteilungen brachten auch manche Anerkennung, 
und die ist aus dem Munde eines offenbar nur wenig 
deutschfreundlich Gesinnten wertvoll. In Lille hörte er, daß 
in dem benachbarten Tournai eine deutsche Ulanenpatrouille 
erschienen sei, nachdem bereits in St. Amand die Vorhut 
anrückender deutscher Streitkräfte eingetroffen war. Zahl 
reiche Flüchtlinge waren in Lille eingetroffen, die von 
den dortigen Zeitungen wegen ihrer unbesonnenen Flucht 
heftig getadelt wurden. Der Italiener konnte nun der 
Lockung nicht widerstehen, sich nach Tournai zu be 
geben, um sich die gefürchteten Ulanen einmal anzu 
sehen. Dort angekommen, fand er den Platz frei. Während 
er sich in einer Fahrradhandlung mit dem Ankauf eines 
Rades befaßte, kam plötzlich draußen auf der Straße eine 
Patrouille von vier Ulanen, die Lanzen über den Sattel 
gelegt, vorübergeritten. Der Führer erkundigte sich mit
	        
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