Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914. 
Gesandtschaft wurde eine Kompanie Infanterie und ein 
starkes Polizeiaufgebot beordert, und die Polizei von Belgrad 
wurde die ganze Nacht in Bereitschaft gehalten. Infolge dieser 
Vorkehrungen waren die befürchteten Angriffe der Serben 
ausgeblieben, aber nichtsdestoweniger mutzten die Öster 
reicher auf ihrer Hut sein und das Schlimmste befürchten. 
Bald hietz es allgemein, die österreichische Regierung 
bereite einen besonderen Schritt vor. Eine „Demarche" 
nannten es die einen, ein Ultimatum die anderen. 
Am Donnerstag den 23. Juli überreichte der k. k. öster 
reichisch-ungarische Gesandte Baron Giesl der serbischen 
Regierung die folgende Note mit den österreichischen 
Forderungen: 
„Am 31. März 1909 hat der königlich serbische Gesandte 
am Wiener Hofe im Aufträge seiner Regierung der k. k. Re 
gierung folgende Erklärung gegeben: 
,Serbien erkennt an, datz es durch die in Bosnien ge 
schaffenen Tatsachen in seinen Rechten nicht berührt wurde 
und datz es sich demgemäß den Entschließungen anpassen 
wird, die die Mächte in bezug auf Artikel 24 des Berliner 
Vertrags treffen werden. Indem Serbien den Ratschlägen 
der Großmächte Folge leistet, verpflichtet es sich, die Haltung 
des Protestes und des Widerstandes, die es hinsichtlich der 
Annektion seit vergangenem Oktober eingenommen hat, auf 
zugeben, und es verpflichtet sich ferner, die Richtung seiner 
gegenwärtigen Politik gegenüber Österreich-Ungarn zu än 
dern und künftighin mit diesem letzteren auf dem Futze 
freundnachbarlicher Beziehungen zu leben.' 
Die Geschichte der letzten Jahre nun und insbesondere 
die schmerzlichen Ereignisse des 28. Juni haben das Vor 
handensein einer geheimen Bewegung in Serbien erwiesen, 
deren Ziel es ist, von der österreichisch-ungarischen Monarchie 
gewisse Teile ihres Gebietes loszutrennen. Diese Bewegung, 
die unter den Augen der serbischen Regierung entstanden, 
hat in der Folge jenseits des Gebietes des Königreichs 
durch zahlreiche Schreckenstaten, durch eine Reihe von 
Attentaten und durch Mord Ausdruck gefunden. Weit ent 
fernt, die in der Erklärung vom 31. März 1909 enthaltenen 
formellen Verpflichtungen zu erfüllen, hat die königlich ser 
bische Regierung nichts getan, um diese Bewegung zu unter 
drücken. Sie duldete das verbrecherische Treiben der ver 
schiedenen gegen die Monarchie gerichteten Vereine und 
Vereinigungen, die zügellose Sprache der Presse, die Ver 
herrlichung der Urheber von Attentaten, die Teilnahme von 
Offizieren und Beamten an untergrabenden Umtrieben, sie 
duldete eine ungesunde Verhetzung im öffentlichen Unter 
richt und duldete schlietzlich alle Kundgebungen, die die 
serbische Bevölkerung zum Hasse gegen die Monarchie und 
zur Verachtung ihrer Einrichtungen verleiten konnten. 
Diese Duldung, deren sich die königlich serbische Re 
gierung schuldig machte, hat noch in jenem Moment an 
gedauert, in dem die Ereignisse des 28. Juni der ganzen 
Welt die grauenhaften Folgen solcher Bewegung zeigten. 
Es erhellt aus den Aussagen und Geständnissen der ver 
brecherischen Urheber des Attentats vom 28. Juni, datz der 
Mord von Serajewo in Belgrad ausgeheckt und datz die 
Mörder die Waffen und Bomben, mit denen sie ausgestattet 
waren, von serbischen Offizieren und Beamten erhielten, 
die dem serbischen Eeheimbund Rarodna Odbrana an 
gehörten, und datz schlietzlich die Beförderung der Verbrecher 
und deren Waffen nach Bosnien von leitenden serbischen 
Grenzorganen veranstaltet und durchgeführt wurde. 
Die angeführten Ergebnisse der Untersuchung gestatten 
es der k. u. I. Regierung nicht, noch länger die Haltung 
zuwartender Langmut zu beobachten, die sie durch Jahre 
jenen Treibereien gegenüber eingenommen hatte, die ihren 
Mittelpunkt in Belgrad haben und von da auf die Gebiete 
der Monarchie übertragen werden. Diese Ergebnisse legen 
der k. u. k. Regierung vielmehr die Pflicht auf, dem Treiben 
ein Ende zu bereiten, das eine beständige Bedrohung für 
die Monarchie bildet. Um diesen Zweck zu erreichen, sieht 
sich die k. u. k. Regierung gezwungen, von der serbischen 
Regierung eine öffentliche Versicherung zu verlangen, 
datz sie die gegen Österreich-Ungarn gerichtete Propaganda 
verurteilt, das heitzt die Gesamtheit der Bestrebungen, deren 
Endziel es ist, von der Monarchie Gebiete loszulösen, die 
ihr angehören, und datz sie sich verpflichtet, diese verbreche 
rische und terroristische Propaganda mit allen Mitteln zu 
unterdrücken. 
Um diesen Verpflichtungen einen feierlichen Charakter 
zu geben, wird die königlich serbische Regierung auf der 
ersten Seite ihres offiziellen Organs vom 26. (13.) Juli 
nachfolgende Erklärungen veröffentlichen: 
,Die königlich serbische Regierung verurteilt die gegen 
Österreich-Ungarn gerichtete Propaganda, das heitzt die Ge 
samtheit ihrer Bestrebungen, deren Ziel es ist, von der 
österreichisch-ungarischen Monarchie Gebiete loszutrennen, 
die ihr angehören, und sie bedauert aufrichtig die grauen 
haften Folgen dieser verbrecherischen Handlungen. 
Die königlich serbische Regierung bedauert, datz serbische 
Offiziere und Beamte an der vorgenannten Propaganda 
teilgenommen und damit die freundnachbarlichen Be 
ziehungen gefährdet haben, die zu pflegen sich die königliche 
Regierung durch ihre Erklärung vom 31. März 1909 feier 
lich verpflichtet hatte. Die königliche Regierung, die jeden 
Gedanken oder jeden Versuch einer Einmengung in die 
Geschicke der Bewohner, was immer auch eines Teils, Öster 
reich-Ungarns mißbilligt und zurückweist, erachtet es für 
ihre Pflicht, Offiziere und Beamte aus der gesamten Be 
völkerung des Königreichs ausdrücklich darauf aufmerksam 
zu machen, datz sie künftighin mit äutzerster Strenge gegen 
jene Personen vorgehen wird, die sich derartiger Hand 
lungen schuldig machen sollten, Handlungen, denen vorzu 
beugen und die zu unterdrücken sie alle Anstrengungen 
machen wird.' 
Diese Erklärung wird gleichzeitig der königlichen Armee 
durch einen Tagesbefehl Sr. Majestät zur Kenntnis ge 
bracht und im offiziellen Organ der Armee veröffentlicht 
werden. Die königlich serbische Regierung verpflichtet sich 
überdies: 
1. Jede Publikation zu unterdrücken, die zum Hatz und 
zur Verachtung der Monarchie aufreizt und deren allgemeine 
Tendenz gegen den ungeschmälerten Bestand der letzteren 
gerichtet ist. 
2. Sofort mit der Auflösung des Vereins Rarodna Od 
brana vorzugehen, dessen gesamte Propagandamittel zu 
konfiszieren und in derselben Weise gegen die anderen 
Vereine und Vereinigungen in Serbien einzugreifen, die 
sich mit der Propaganda gegen Österreich-Ungarn beschäfti 
gen. Die königliche Regierung wird die nötigen Matzregeln 
treffen, damit die aufgelösten Vereine nicht etwa ihre Tätig 
keit unter anderen Namen oder in anderer Form fortsetzen. 
3. Ohne Verzug aus dem öffentlichen Unterricht in 
Serbien sowohl aus dem Lehrkörper als aus den Lehrmitteln 
alles zu beseitigen, was dazu dient oder dienen könnte, 
die Propaganda gegen Österreich-Ungarn zu nähren. 
4. Aus dem Militärdienst und der Verwaltung im all 
gemeinen alle Offiziere und Beamte zu entfernen, die der 
Propaganda gegen Österreich-Ungarn schuldig sind und deren 
Namen unter Bekanntmachung des gegen sie vorliegenden 
Materials der königlichen Regierung bekanntzugeben sich 
die k. u. I. Regierung vorbehält. 
5. Einzuwilligen, datz in Serbien Organe der k. u. k. Re 
gierung bei der Unterdrückung der gegen den ungeschmäler 
ten Bestand der Monarchie gerichteten umstürzlerischen Be 
wegung mitwirken. 
6. Eine gerichtliche Untersuchung gegen jene Teilnehmer 
des Komplotts vom 28. Juni einzuleiten, die sich auf ser 
bischem Gebiet befinden. Von der k. u. k. Regierung hierzu 
bestimmte Organe werden an den diesbezüglichen Er 
hebungen teilnehmen. 
7. Mit aller Beschleunigung die Verhaftung des Voja 
Tankkovic und eines gewissen Milan Ciganovic, serbische 
Staatsbeamte, vorzunehmen, die durch die Ergebnisse der 
Untersuchung kompromittiert sind. 
8. Durch wirksame Matznahmen die Teilnahme der ser 
bischen Behörden an dem Schmuggel von Waffen und 
Erplosivkörpern über die Grenze zu verhindern, jene Organe 
des Erenzdienstes von Cchabatz und Lofnitza, die den Ur 
hebern des Verbrechens von Serajewo mit dem Übertritt 
über die Grenze behilflich waren, aus dem Dienst zu ent 
lassen und streng zu bestrafen. 
9. Der t u. k. Regierung Aufklärungen zu geben über 
die nicht zu rechtfertigenden Autzerungen höherer serbischer 
Funktionäre in Serbien und dem Auslande, die ihrer Offizier- 
stellung ungeachtet sich nicht gescheut haben, sich nach dem 
Attentat vom 28. Juni in Interviews in feindlicher Weise 
gegen Österreich-Ungarn auszusprechen. 
10. Die I. u. I. Regierung ohne Verzug von der Durch 
führung der in den vorigen Punkten zusammengefaßten
	        
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