Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. Erster Band. (Erster Band)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914. 
Der Erzherzog verlor nach einigen Sekunden das Bewußt 
sein. Das Thronfolgerpaar wurde sofort nach dem Konak 
gebracht, wo Regimentsarzt Dr. Payer feststellte, daß der 
Tod bereits eingetreten war. 
- Erzherzog Franz Ferdinand war ein großer Reorgani 
sator der österreichischen Armee; sein Tod bedeutet einen 
unersetzlichen Verlust. Er wurde als ältester Sohn des 
Erzherzogs Karl Ludwig, eines Bruders des Kaisers Franz 
Joseph, aus seiner Ehe mit der Prinzessin Annunziata 
von Bourbon-Sizilien am 18. Dezember 1863 geboren. 
Durch den tragi 
sch enTod des Kron 
prinzen Rudolf im 
JagdschloßMayer- 
ling wurde er,kaum 
sechsundzwanzig 
Jahre alt,dernäch- 
steThronanwärter. 
Franz Ferdinand 
hat wie kein an 
derer Kronprinz 
von jeher um seine 
Stellung kämpfen 
müssen. Nach Ru 
dolfs Tode wurde 
in Wahrheit nicht 
ihm, sondern sei 
nem jüngerenBru- 
der, dem lebens 
frohen Otto, die 
Krone zugedacht, 
da man bei Franz 
Ferdinand ^„un 
heilbares" Lun 
genleiden konsta 
tiert haben wollte. 
Indes kräftigte sich 
seine Gesundheit 
auf einer zw eijähri 
gen Weltreise 1893 
bis 1895 derartig, 
daß der physische 
Befähigungsnach 
weis für die Rolle 
eines Thronfolgers 
nunmehr als er 
bracht angesehen 
werden mußte. 
Die Eindrücke die 
ser Weltreise legte 
Franz Ferdinand 
in einem sorgsam 
geführten Tage 
buch nieder. Er 
tat aktiven Dienst 
in der Armee und 
wurde gleichzeitig 
durch Einführung 
in Staatsrecht und 
Zivilverwaltung 
auf den Herrscher 
beruf vorbereitet. 
Da unterbrach ein 
Ereignis die idylli 
sche Stille des 
Thronfolgerdaseins. Franz Ferdinand, den man damals 
mit der ältesten der sechs Töchter des Erzherzogs Friedrich, 
der Erzherzogin Christine, zu vermählen gedachte, über 
raschte seinen Onkel und den ganzen Hof mit der Er 
klärung, daß er nicht die Erzherzogin, sondern die Hofdame 
ihrer Mutter, Gräfin Sophie Chotek, zu ehelichen wünsche, 
die am 1. März 1868 zu Stuttgart als vierte Tochter des 
damaligen österreichischen Gesandten am württembergischen 
Hofe, Grafen Voshuslaw Chotek von Chotkowa und Wognin 
geboren war. 
Franz Ferdinand blieb damals allen offenen und ge 
heimen Widerstünden zum Trotz unbeugsam. Nach ein 
jähriger llberlegungsfrist willigte der Kaiser endlich ein, 
und am 1. Juli 1900 wurde nach einem feierlichen Thron- 
verzicht Franz Ferdinands für die Abkömmlinge dieser Ehe 
die morganatische Ehe des Thronfolgers mit der Gräfin 
Chotek, die der Kaiser zur Fürstin, später Herzogin Hohen 
berg ernannte, zu Reichstadt geschlossen. 
Die Stellung des Thronfolgers wurde in den letzten 
Jahren, namentlich auf militärischem Gebiete, immer 
hervorragender. Im Jahre 1898 wurde er „zur Dis 
position des Allerhöchsten Oberbefehls" gestellt, 1902 zum 
Admiral ernannt, mit einer eigenen Militärkanzlei aus 
gestattet und mit der Leitung der großen Manöver betraut. 
Am 17. August 1913 wurde er endlich zum General- 
inspekteur der ge 
samten bewaffne 
ten Macht mit dem 
Oberbefehl über 
Heer und Flotte 
ernannt, eine Stel 
lung, die sogar die 
desletztenEeneral- 
inspekteurs Erzher 
zog Albrecht, des 
Siegers von Eu- 
stozza, überragte. 
Nun mußte diese 
Stütze der österrei- 
chischenWehrmacht 
durch Mörderhand 
fallen. 
Der eine der 
beiden Mörder. 
Princip, war erst 
neunzehn Jahre 
alt. Er gab bei dem 
Verhör an, sich 
schon lange mit der 
Absicht getragen zu 
haben, irgend eine 
Person aus natio 
nalistischen Moti 
ven zu töten. Er 
habe einen Augen 
blick gezögert, da 
sich auch die Herzo 
gin im Automobil 
befand. Dann aber 
habe er rasch ge 
feuert. Er leug 
nete, Mitwisser zu 
haben. Der zweite, 
der einundzwan 
zigjährige Typo 
graph Cabrinovic. 
zeigte beim Verhör 
ein sehr schamloses 
Wesen. Auch er er 
klärte, keine Kom 
plizen zu haben. 
Cabrinovic war 
nach seiner Tat in 
den Fluß gesprun 
gen, jedoch von 
nachspringenden 
Wachtleuten und 
von Personen aus 
dem Publikum an 
gehalten und ver 
haftet worden. Wenige Schritte vom Schauplatz der zweiten 
Tat wurde eine unwirksam gebliebene Bombe aufgefunden. 
Sie war höchstwahrscheinlich von einem dritten Verschwörer 
weggeworfen worden, nachdem dieser gesehen hatte, daß 
der Anschlag gelungen war. Princip erklärte, er habe 
längere Zeit in Belgrad studiert. Cabrinovic behauptete, 
die Bombe von einem Anarchisten in Belgrad erhalten zu 
haben, dessen Namen er nicht kenne. 
Bezeichnend ist, daß das Attentat am Vortage des ser 
bischen Nationalfestes Vidovdan, dem Erinnerungstage der 
Schlacht auf dem Amselfelde, verübt wurde, an dem ge 
wöhnlich das serbische Nationalgefühl durch die chauvinisti 
schen Blätter besonders aufgestachelt wird. Die sofort ein 
geleitete Untersuchung ergab auch bald, daß die Fäden der 
Verschwörung nach Belgrad führten, wo ein weitverzweigtes 
T. H. Voigt, Homburg v. d. H. phot. 
Wilhelm II., Deutscher Kaiser, König von Preußen. 
. . . Wir sind in: tiessten Frieden in des Wortes wahrster Bedeutung überfallen worden . . . Denr 
Gegner werden wir zeigen, was es heißt, Deutschland in so niederträchtiger Weise zu reizen, und nun 
empfehle Ich Euch Gott. 
(Nus der Ansprache Kaiser Wilhelms vom Balkon des Königl. Schlosses zu Berlin am Abend des 31. Juli.)
	        
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