Volltext: Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. DritterBand. (DritterBand)

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Illustrierte Geschichte des Weltkrieges 1914/15. 
Kartenskizze zu dem Artikel: Der französische Angriff auf den Schützengraben nördlich Marchsville. 
dafür hätten die Serben alle Dörfer der von ihnen besetzten 
albanischen Gebiete in Flainrnen aufgehen lassen. Auch 
aus den von Montenegro besetzten albanischen Landstrichen 
kommen Nachrichten, daß sich Banden und Stämme gegen 
die Montenegriner empörten und ihnen durch Überfälle zu 
schaden suchten. 
Von Beginn des Krieges an, besonders aber um die 
Zeit des ersten englisch-französischen Dardanellenunter 
nehmens schien es, als ob auch Griechenland für den Drei 
verband die Waffen ergreifen werde. Die Entscheidungs 
stunde kostete dem dreiverbandsfreundlichen Ministerpräsi 
denten Venizelos das Amt, und seit diesem Tage widerstand 
Griechenland allen englischen Lockungsversuchen mit so un 
verkennbarer Entschiedenheit, daß England schon zu feind 
lichen Maßregeln gegen Griechenland geschritten ist. Mit 
wachsender Schärfe untersuchte es die griechischen Schiffe 
im Agäischen Meere nach Konterbande. Täglich wurden 
griechische Dampfer nach Mudros geführt und nur zögernd 
freigelassen, wenn sich nichts Belastendes ergeben hatte. 
Handel und Schiffahrt zwischen Alt- und Neugriechenland 
erlitten eine allmählich sehr merkbar werdende Schädigung. 
Die Engländer hielten häufig Waren und Erzeugnisse, die 
für den Verbrauch in Mazedonien bestimmt waren, darunter 
sogar Monopolartikel, als Kriegskonterbande fest, so daß 
die griechischen Behörden erst durch langwierige Verhand 
lungen die Freigabe erlangen konnten. Selbst die grie 
chische innere Schiffahrt wurde unter englisch-französische 
Aufsicht gestellt. So schleppten die Engländer einen 
griechischen Dampfer, der Heeresbedarf nach Kawalla 
bringen sollte, nach Mudros ab und verlangten die Ein 
sichtnahme in militärische Urkunden. 
Diese aus politischen Gründen ins Werk gesetzte Be 
lästigung des griechischen Handels hat seine Vertreter zu 
dem Vorschlag an ihre Regierung veranlaßt, den unter 
bundenen Verkehr zwischen den alten 
und den neuen Provinzen auf dem 
Landwege wiederherzustellen durch Ein 
richtung eines Autoverkehrs zwischen 
Papuli, alter Grenze und Verria, der 
von dort mit der Bahn nach Saloniki 
fortgesetzt wird. Der erste Schritt zur 
Verwirklichung dieses Planes geschah 
durch Verständigung der Postdirektion 
mit dem Kriegsministerium über die 
Beförderung von 7000 Postpaketen auf 
dem Landwege. Uber die Blockade der 
griechischen Küste hinaus denkt aber 
der Vierverband nach Mitteilungen, 
die der römische Korrespondent des 
„Corriere della Sera" auf Grund amt 
lichen Materials machte, schon an eine 
Landung in Griechisch-Mazedonien 
unter dem Vorwand, daß die grie 
chische Teilstrecke der orientalischen 
Eisenbahn, die für die Durchfuhr nach 
Serbien hochwichtig ist, nicht durch 
deutsche Attentate unterbrochen wer 
den dürfe. 
Die griechische Regierung hält aber 
trotz aller Versprechungen und aller 
Quälereien an der von ihr einge 
schlagenen Neutralitätspolitik zäh fest. 
Der König hat dabei besonders auch 
das Heer hinter sich. Er erhielt eine 
Adresse der Offiziere seiner Armee, 
in der diese ihm Gesundung wünschten 
und ihm nahelegten, sich von den poli 
tischen Geschäften noch eine Weile zu 
rückzuhalten. Der griechische General 
stabschef gilt sogar als deutschfreund 
lich; er erklärte wiederholt, daß der 
Sieg der Zentralmächte ihm unaus 
bleiblich erscheine. 
Während Griechenland erst nach 
lebhaftem Schwanken seinen Weg ge 
funden hat, war Bulgarien allezeit der 
ruhende Punkt in der Erscheinungen 
Flucht auf dem Balkan. Es wäre 
verfehlt, Bulgarien für unbedingt wohl 
wollend neutral oder gar für einen 
Freund der Zentralmächte zu halten. Bulgarien, das aus 
seinem Unglück im zweiten Balkanfeldzug gelernt hat, 
wartet unter der Leitung Radoslawows kaltblütig ab, 
wohin die Waaschale zwischen dem Vierverband und 
den Zentralmächten sich neigen wird. Innere Wider 
stände gegen seine Politik schlug der bulgarische Minister 
präsident kraftvoll und erfolgreich zu Boden. Am meisten 
Aufsehen unter allen Angriffen auf seine Politik er 
regte das gegen den sie billigenden König Ferdinand 
gerichtete Bombenattentat. Die Untersuchung hat ergeben, 
daß die Urheberin dieses Attentats die berüchtigte serbische 
Narodna Odbrana gewesen ist. Sie hatte einen Preis 
von 60000 Franken, teilweise aus russischer Quelle, für den 
Mordanschlag ausgeschrieben. Serafin Manow, der die 
Bombe auf den Wagen des Königs schleudern sollte, gestand 
den Plan rückhaltlos ein und sagte aus, daß das Geld 
von Serbien und Rußland an den Attentäter ausbezahlt 
werden sollte. 
In diesen Prozeß ist auch der allbekannte Politiker 
und ehemalige bulgarische Minister Genadiew verwickelt. 
Er gehörte zeitlebens der rußlandfeindlichen Partei der 
Stambulowisten an und sprach sich erst während des Krieges 
für eine „Neuorientierung" der bulgarischen Politik aus. 
Schon einmal hat er sein Vaterland an den Rand des 
Verderbens gebracht. Denn vorwiegend auf ihn ist der 
unglückliche Entschluß Bulgariens zum zweiten Balkankriege 
zurückzuführen, der dieses Land um fast alle seine Sieges 
früchte gebracht und zu einer schweren militärischen Schwä 
chung geführt hat. Nur der Ausbruch des europäischen 
Krieges rettete Genadiew und seine Mitangeklagten in dem 
den Balkankriegen folgenden großen bulgarischen Staats 
prozeß vor der allgemein erwarteten langjährigen Zucht 
hausstrafe. Durch die Kammermehrheit ließ gerade der 
jetzt von ihm bekämpfte Radoslawow in einem für die
	        
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