Volltext: Mit Herz und Hand fürs Vaterland!

des Krieges ihre Leser um Angabe geeigneter Adressen in neutralen Ländern 
der ganzen Welt ersucht und dann mit gutem Erfolg viele tausend Exemplare 
(in., solche Adressen, verschickt; Stöße von Dankschreiben beweisen, wie 
dankbar diese Aufklärungsarbeit aufgenommen wurde, an der auch ein inter- 
nationaler Ausschuß in Berlin, der Deutsche Werkbund und der Deutsche 
HaüdÄstag sich kräftig beteiligten. Das hat einigermaßen geholfen, aber die 
Hauptsache zum langsamen Umschwuug der Stimmung haben doch die Tatsachen, 
die deutschen Siege getan, die sich auf die Dauer auch beim besten Willen 
nicht wegdisputieren ließen. 
Uebrigeus gibt es für solche Preßmeldungen auch noch andere Fehler- 
quellen als die nackte Lüge. In erster Linie kommt hier das allgemeine 
Kriegsfieber in Betracht, die Massenerregung, die überall Gespenster sieht 
und andere sehen läßt, die Suggestibilität der Menge, die Hysterie —Dinge, 
über die sich der Vorsitzende der Berliner Psychologischen Gesellschaft sehr lehr- 
reich ausgesprochen hat. Aus dieser Geistesverfassung entspringt dieGeschich- 
tenträgerei der zahllosen Kriegsschwätzer, die irgend etwas mit einem halben 
Ohr hören und solange verschönernd weitertrageu, bis aus einem Nichts Er- 
eignisse ersten Ranges geworden sind, wie die „Einnahme von Belfort", der 
große „Seesieg der Oesterreicher im Adriatischen Meer", die „Räumung 
Warschaus durch die Russen" und der „Anschluß Rumäniens an den Drei- 
bnnd". Darauf fällt gelegentlich auch die Presse herein, die zudem absichtlich 
von Spaßvögeln und Nichtsnutzen hereingelegt wird. Da müssen auch wir 
Deutsche Peccavimus_ sagen. Auch bei uns sind manche empfänglich für das 
Sensationelle, Schaurige, für „das gedruckte Blutvergießen". Auch bei uns 
gab es sonst vernünftige und gebildete Männer, die so leichtgläubig waren 
wie das älteste alte _ Weib, denen die Presse nicht genug Blutrünstigkeiten 
bringen konnte und die schiefe Gesichter zogen, wenn man nicht an den Kram 
glauben wollte, die erst durch recht unangenehme Erfahrungen zu der Erkenntnis 
kamen, daß es unter einigen Millionen deutscher Krieger selbstverständlich auch 
Vettern des braven Freiherrn von Münchhausen und milites gloriosi gibt, 
die für eine Runde Bier oder aus reiner Lust am Fabulieren das Blaue vom 
Himmel herunter phantasieren. Und mit dem Geschwätz verbindet sich das 
Gehetz, das zuweilen leider auch einen konfessionellen Einschlag hat und viel- 
leicht manchem Unschuldigen das Leben gekostet hat. Abscheuliche Beispiele 
sind die „Lazarettsäle voll armer deutscher Soldaten, denen die Augen aus- 
gestochen worden sind", eine Ente, die zuerst in Aachen aufflog, dann nach 
Bonn und nach Potsdam wanderte, um regelmäßig von den Behörden abge- 
stochen zu werden, und die zahllosen Mordgeschichten von belgischen Geistlichen, 
die sich mit besonderem Eifer an dem belgischen Franktireur-Unwesen beteiligt 
und dabei fürchterliche Dinge begangen haben sollten. Bestätigt hat sich davon 
nichts oder fast nichts, es hat amtliche Dementis geregnet, aber trotz alledem 
wird heute noch die Mär von den Mönchen in Löwen Glauben finden, „die 
50 deutsche Soldaten ermordeten und die Leichen im Klosterkeller ver- 
gruben".
	        
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