Die Bismarckzeit
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unterschätzender Vorteil, im Falle eines von Frankreich im Bunde
mit Rußland unternommenen Krieges Italien, „wenn auch nur no
minell und ohne erhebliche Leistung“, auf der Seite des deutsch-
österreichischen Bundes zu haben, denn dadurch würden die deut
schen, sonst an den Alpen aufzustellenden Truppen frei. Von Rom
aus empfahl der Botschafter v. Keudell, den Moment zu ergreifen,
um einen wesentlichen Einfluß auf die Politik Italiens zu gewinnen 1 ;
stütze man jetzt die dortige Monarchie, so sei in Zukunft auf eine
befreundete Macht zu rechnen; eine italienische Republik aber würde
eine geborene Feindin Deutschlands und Österreichs sein. Auch in
Wien versprach man sich Vorteile von dem Zutritte Italiens, zu
mal das Mißtrauen gegen Rußland wieder gewachsen war 1 2 .
Nach Vorverhandlungen über die Frage, wie weit man bei der
Zusage des gegenseitigen Beistandes im Kriegsfälle gehen solle,
überreichte am 24. März 1882 in Wien der italienische Botschafter
Graf Robilant die endgültigen italienischen Vorschläge 3 . Sie waren
in vier Artikeln zusammengefaßt und kamen auf gegenseitige Unter
stützung der drei Mächte in allgemeinen politischen Fragen, auf
die Zusage gegenseitigen Beistandes gegen einen unprovozierten
Angriff Frankreichs, auf wohlwollende bewaffnete Neutralität Ita
liens für den Fall eines russischen Angriffs gegen Österreich oder
Deutschland und schließlich auf wohlwollende Neutralität in jedem
Falle hinaus, wo eine der vertragschließenden Mächte noch ander
weitig in einen Krieg verwickelt werden sollte.
Bismarck war mit den italienischen Vorschlägen im allgemeinen
einverstanden und teilte auch nicht den Wunsch der Österreicher
nach einer Festlegung Italiens in dem Sinne, daß es bei einelm
deutsch-österreichischen Kriege mit Rußland zu aktivem Vorgehen
gegen Frankreich verpflichtet werden sollte, falls Frankreich durch
eine provozierende Haltung Deutschland oder Österreich zwingen
würde, Frankreich anzugreifen. Bismarck fand diese Eventualität zu
fein zugespitzt, als daß man den casus foederis für Italien dann
nachweisen könnte; sei Italien ehrlich und Herr seiner Ent
schlüsse, so werde es von selbst interessiert sein, den Sieg Frank
reichs zu hindern; für Deutschland genüge eine wohlwollende Neu
tralität Italiens, denn eine Ersparnis österreichischer Streitkräfte
sei wichtiger als eine Gewinnung italienischer 4 .
Bei den weiteren Verhandlungen ließ Bismarck den Öster
reichern überall die Vorhand, setzte sich aber dafür ein, daß
Österreich nicht durch unverbindliche Formen die Italiener zurück
1 Gr. Pol. Nr. 549.
2 Gr. Pol. Nr. 550.
3 Gr. Pol. Nr. 556.
4 Gr. Pol. Nr. 557.