Volltext: Der Weltkrieg der Dokumente

Deutschlands Vereinsamung. 1902—1914 
Im Frühjahr 1913 begann die russische Presse, Frankreich an 
seine militärischen Bündnispflichten zu mahnen. Dessen bedurfte es 
kaum, da man sich in Frankreich damals gerade mit der Frage 
der Wiedereinführung der vollen dreijährigen Dienstzeit beschäf 
tigte. Am 11. März begann die Armeekommission der Kammer mit 
der Beratung des Gesetzentwurfes, und am 8. August wurde das viel 
umstrittene Gesetz in der Kammer mit einer namhaften Mehrheit 
angenommen L 
Die deutsch-französischen Beziehungen ließen damals gelegent 
lich zu wünschen übrig, so bei den Zwischenfällen in Luneville und 
Nancy am 3. und 15. April 1913 und anläßlich der Vorgänge in Za- 
bern im November 1913, die man in Frankreich zur Stimmungsmache 
gegen die deutsche Verwaltung der Reichslande auszunutzen suchte 1 2 . 
In Deutschland erledigte man während des Monats Juni die Durch 
beratung der neuen großen Wehrvorlage, die am 30. Juni mit über 
wältigender Mehrheit angenommen wurde. Damit war für das An 
wachsen des französischen Heeres und für die stärkere Beanspru 
chung Österreich-Ungarns durch die Vorgänge auf dem Balkan ein 
gewisser Ausgleich geschaffen. Auch die militärische Unterstützung 
durch italienische Truppen im Falle eines Krieges beurteilte man in 
Berlin jetzt wieder zuversichtlicher, da der neue Chef des italieni 
schen Generalstabes, General Pollio, sehr deutschfreundlich dachte. 
Die eine Zeitlang unterbrochenen Generalstabsverhandlungen über 
die Entsendung italienischer Truppen an den Oberrhein wurden im 
Frühjahr 1914 wieder aufgenommen 3 . Zweifellos bestand in der 
italienischen Armee ein lebhaftes Interesse für den Dreibund. Die 
Erwägungen über die Verwendung der Armee im Kriegsfälle aber 
hingen lediglich von der politischen Leitung ab und wurden durch 
die inneren Gegensätzlichkeiten der italienischen und österreichisch 
ungarischen Interessen sowie dadurch maßgebend bestimmt, daß 
Italien fest entschlossen war, niemals gegen England in den Kampf 
zu treten. 
Die Gegensätze zwischen Italien und Österreich waren damals 
schon so stark, daß sie auch durch Aussprachen zwischen Marquis 
di San Giuliano und Graf Berchtold inAbbazia —14. bis 18. April 1914 
— nicht ausgeglichen werden konnten. In Rom glaubte man an eine 
planmäßig gegen die Italiener gerichtete innere Politik Österreichs 
und schob dafür dem Grafen Berchtold die Hauptverantwortung zu. 
Von Frankreich aber wurde Italien dauernd lebhaft umworben, was 
schließlich am 29. Mai 1914 zur Unterzeichnung eines italienisch- 
französischen Abkommens über die rechtliche Stellung der Italiener 
in Tunis und der Tunesier in Libyen führte. Auch in der italienischen 
;\.Ü ’■ 
1 Gr. Pol. Nr. 15 652. 
2 Gr. Pol. Nr. 15 658—15660. 
3 Gr. Pol. Nr. 15 713.
	        
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