am Suezkanal stehen und dieses „Genick Englands" (um einen
Bismarckschen Ausdruck zu gebrauchen) umdrehen würden. Diese
.Hoffnung steigerte sich, als in der Tat ein Vortrupp von 2000 be¬
rittenen Beduinen ausnehmend schnell durch die 250—300 Km
breite Wüste der Sinaihalbinsel vordrang und bereits am 22. No¬
vember bei El Kantara anlangte, der Ortschaft im Süden des
großen Menzalehstrandsees, deren Namen („Die Brücke") bereits
anzeigt, daß hier die Lauptkarawanenstraße von Ost nach West
den Kanal schneidet. Jene Beduinen lieferten bereits den Eng¬
ländern ein erfolgreiches Gefecht, in dessen Verlauf bezeichnender¬
weise eine auf englischer Seite kämpfende Kamelreitertruppe
„spurlos verschwand", d. h. zu den Türken überging. Nach dem
Gefecht vom 22. November zogen sich die Beduinen aber wieder
völlig aus der Sichtweite des Kanals zurück, ohne etwas Weiteres
zu unternehmen. Die Erwartung, daß sie bereits einen für die
Schiffahrt verhängnisvollen Anschlag gegen den Kanal ausführen
würden, erfüllte sich nicht. Zwar hatten sie hierzu die Möglich¬
keit, denn schon ein künstlich hervorgerufenes Abgleiten der san¬
digen, nirgends durch Mauerung gefestigten Böschungen des
Kanals in der Gegend von El Kantara hätte die Fahrrinne in
sehr lästiger, vielleicht verhängnisvoller Weise verstopfen können.
Wenn nichts Derartiges geschah oder auch nur versucht wurde,
so dürfte der Amstand eine Erklärung hierfür abgeben, daß gerade
in den Tagen, wo die türkischen Vortruppen am Kanal erschienen,
die Konstantinopeler Negierung der um die Erhaltung des Kanals
besonders besorgten italienischen neutralen Regierung das Ver¬
sprechen abgab, sie werde bemüht sein, eine Zerstörung des
Kanals zu vermeiden, solange es die militärische Notwendigkeit
irgend zulasse.
So blieb damals der Kanal vom Feind noch unbehelligt, und
vorübergehende Sperrungen der Wasserstraße, wie sie am 5. No¬
vember und 15. Dezember vorgekommen sein sollen, scheinen sich
nur auf Stunden erstreckt zu haben und durch militärische Ma߬
nahmen der Engländer bedingt worden zu sein. Lange hörte man
nichts mehr von dem türkischen Vorstoß gegen den Kanal; eng¬
lische Aufklärungsflieger berichteten, daß östlich vom Kanal nirgends
mehr etwas vom Feinde zu sehen sei, ja Optimisten trösteten sich
schon mit der stark naiven Annahme, die Türken hätten den
Marsch gegen Ägypten völlig aufgegeben. Inzwischen hieß es,
die Engländer würden, um das Vorrücken des türkischen Äaupt-
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