Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1931 (1931)

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Christkindl 
Eine heimatliche Sage von Linus Kefer 
Es ist ein Sommer, wie seit vielen Jahren 
keiner war. Nur die Ältesten der Gemeinde 
wissen von einem Jahr zu erzählen, das ebenso 
gesegnet war wie dieses. Das Gras der fetten, 
saftigen Wiesen schießt üppiger als sonst aus 
dem feuchten Grund und der Weizen steht 
hoch im Halm und wogt in schwerer Fülle 
sonngebräunt der Reife entgegen. In drük- 
kender Last hängen die Obstbäume voll mit 
rotbackigen Äpfeln und süßen, gelben Birnen 
und die sonnigen Bubenschädel, wie die Ge 
sichter der fröhlichen Dirnlein, die sich daran 
gütlich tun, sehen aus wie die geratensten 
Sommerfrüchte. 
Die Höfe der Bauern liegen weit aus 
einander und vereinzelt, rings umgeben von 
ihren Feldern und Wiesen. Und dazwischen 
dunkeln alte, kühle Waldungen. Von der 
grauen Eisenstadt läuft ein schmales, steiniges 
Bauernsträßlein fast eine halbe Stunde durch 
Föhren und Fichtenbestände landauswärts, 
vorüber am Gehöft des Teufelbauers. Der 
Bauer steht unterm Scheunentor und blinzelt 
dem Straßlein nach, das in der Mittagssonne 
seine steinerne Seele erwärmt. Von irgendwo 
hört er das Summen der Immen. Der Himmel 
spannt sich in tiefer Bläue über dem Sommer 
tag. Kein Weißes Segel ist zu sehen. Kaum, 
daß sich ein Lufthauch rührt. Er sinnt über 
mancherlei nach. So ein Jahr! Wenn sein 
Weib noch lebte, die Liese! Dann wäre es 
gut. — — Aber es ist keine Zeit, darüber zu 
grübeln. Er muß wieder hinaus auf die 
Felder zur Erntearbeit. Sein Hof ist der 
reichste und größte stundenweit. Aber er 
arbeitet und schindet, daß kein Halm, kein 
Blatt verloren geht. Die Leute sagen sich: 
das ist ein Kluger! Aber gelegentlich tuscheln 
sie sich etwas zu wie: den frißt auch noch einmal 
der Geiz. Er weiß es längst, was sie über ihn 
reden, aber es schert ihn wenig. Je mehr sie 
reden,Lesto mehr wird er wuchern. Der Nach 
mittag liegt glühend über der Landschaft. 
Lerchen steigen trillernd ins Blaue und bunte 
Falter gaukeln von Blume zu Blume. Goldige 
Käfer klettern über Blüten und Gräser und 
winzige Fliegen und Mücken singen in hohen 
Tönen. Hundert Grillen konzertieren ohne 
Unterlaß und schwängern die Luft mit mono 
tonem Laut. Alles scheint wie in einem seligen 
Traum versunken. Nur ab und zu ist das 
Knallen einer Peitsche zu hören und verloren, 
wie aus weiter Ferne das „Hü" und „Hott" der 
Bauern, die mit schwer beladenen Leiterwagen 
nach ihren Höfen zurückkehren. 
Der Teufelbauer, über dessen Namen, der 
schon seit undenkbarer Zeit an dem alten Hof 
haftet, so manches gemunkelt wird, was besser 
ungehört bliebe, schreitet mit sicheren Schritten 
hinter dem schwankenden Erntewagen her. 
Ein kluger, scharf geschnittener Bauernschädel 
sitzt auf der hohen, kräftigen Gestalt und aus 
dem sonnverbrannten Gesicht stechen wie zwei 
graue, kalte Speere, seine Augen. Das dunkel 
braune Kopfhaar trägt er kurz geschoren wie 
den Bart. Sein Blick ist düster und hart. Nur 
wenn sein vierjähriger Bub, der hoch oben 
auf dem mit goldbraunen Garben beladenen 
Wagen sitzt und mit seinen gelben Haaren 
selbst aussieht wie ein kleiner Ährenelf, in 
die Hände klatscht vor sommerlicher Freude, 
und ihm zuruft, daß er fast in den Himmel 
hineinsehe, dann heitert sich das Gesicht des 
Vaters auf und er lacht und meint, das müßte 
sicher wunderschön sein. Und der Bub be 
stätigt ihm das fröhlich. Der ist der einzige,, 
den er liebt. Aber dafür hat er ihn ganz ins 
Herz geschlossen und liebt ihn mehr als alles 
andere und kann ihm keinen Wunsch versagen. 
Bald fragt er dies, bald das und der Teufels-
	        
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