Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1925 (1925)

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sie aus ihren göttlichen, weißen und lieben 
Händen sattgrüne Ständchen mit roten Beeren 
über den dürren Boden. Dann schwebte sie 
weiter und weiter und immer weiter, und 
in ihren zarten, segensreichen Händen 
blühten die purpurbehängten Pflanzen und 
fielen auf das Land. Und das nahm gar 
kein Ende. Sie griff diese schönen Pflänz- 
lein aus einer unerschöpflichen Fülle. Bald 
war denn auch der ganze Bodm, soweit 
das Auge schauen konnte und noch unendlich 
weit darüber hinaus, mit einem wundervollen, 
blühenden Teppich bedeckt. Doch immer 
noch weiter schwebte die heilige Jungfrau 
zu sehen und doch nicht helfen zu können." 
Dann strich sie der eben noch so kummer 
vollen, jetzt aber hochbeglückten Häuslerin 
mit ihren schönen, weißen Händen über 
das demütige Haupt und schwebte wieder 
auf der goldschimmernden Strahlenbrücke 
in die unergründlichen, blauen Tiefen des 
Himmels zurück. 
Nachdem die wehenden Schleier der 
Himmelskönigin entschwunden waren, raffte 
sich Mechtild mit einem seligen Seufzer und 
mit strahlendem Gesicht empor und pflückte 
nun die korallenen Beeren, die in großer 
Fülle zwischen den kleinen, steifen Blättern 
Im Hühnerhof: Hühner nnd Tanben beim Füttern. 
(Phot. Furtner.) 
und spendete den schier unerschöpflichen 
köstlichen Himmelssegen über die gewaltig 
großen, öden Sandflächen hin. Und das 
ging alles so schnell vor sich, daß Mechtild 
kaum einen einzigen Rosenkranz ganz bis 
zu Ende beten konnte. Schon schwebte die 
holdseligste Jungfrau wieder heran und 
sagte zu der in tiefer Demut und Ergriffenheit 
vor ihr niederfallenden Frau :„Höre, Mechtild! 
Nie, solange das Land besteht, soll wieder 
Not in den Hütten der Armen sein. Nie 
sollen die lieben Kindlein wieder hungern 
müssen. Ich habe es am eigenen Herzen 
erfahren, daß nichts schwerer für das Herz 
einer Mutter ist, als die Not ihres Kindes 
hervorlugten. In kurzer Zeit war ihre 
Schürze voll des reichen Beerensegens und 
nun schritt sie- glücklich und wohlgemut 
ihrem Hüttchen zu. 
Dort wurde sie von ihren Kindern mit 
großem Jubel empfangen und mußte erzäh 
len, woher sie die so schön schmeckenden und 
so stark sättigenden Beeren habe. Und die 
Mutter erzählte den Kleinen von der hold 
seligen Himmelskönigin und von dem schier 
unendlichen Segen, den ihre göttlichen 
Hände in barmherziger Liebe auf die Erde 
gestreut hätten. Und alle knieten darauf 
nieder und dankten inbrünstig der Gebene 
deiten.
	        
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