Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1917 (1917)

Mer den Myramiden in Kairo 
aufrichtiges Dirndl. 
Eine Heiratsgeschichte von Reimmichs. (Nachdruckverboten.) 
Der Enzengruber vom Tal war der 
größte Bauer im Nelgau. Er besaß zwei 
Häuser, drei Höfe, schönes Vieh, Massen 
Geld uud — kein Weib. Für ein braves, 
treues und aufrichtiges Weib hätte er aber 
gern seinen besten Hof eingetauscht. Es 
schienen ihm jedoch die treuen, aufrichtigen 
Herzen in diesem Zeitalter sehr dünn auf 
gegangen zu sein; denn mehrmals hatte 
er schon die Erfahrung gemacht, daß ein 
Mädchen ihm Liebe und Treue geschworen, 
allein damit nicht feine Person, sondern die 
reichen Höfe und die vollen Geldbeutel 
gemeint hatte. Ans derlei Ursachen war er 
bis heute im Jünglingsbunde verblieben; 
er stellte aber trotz seiner vierzig Jahre 
twch immer einen propren, netten Mann 
vor. Nun hatte ihm wieder einmal ein 
Mädchen in die Augen gestochen; das war 
ein flinkes, knolliges Ding, recht hübsch 
und arbeitsam, doch etwas still und schüch 
tern, schaute ganz unbefangen in die Welt 
hinaus und gehörte dem Stelzenhofer 
vom Berg. — Dem Stelzenhofer sangen 
keine Paradiesvögel um die Hütte. Er 
schund und rackerte auf seinem mageren 
Höflein jahraus/ jahrein, trotzdem konnte 
er sich mit dem Weib und seinen acht Kin 
dern nicht fett essen und die Schulden 
wuchsen ihm. über den Kopf zusammen. 
Sein schreckbarster Gläubiger war aber just 
der Enzengruber vom Tal. Dem schuldete 
er tausend Gulden und zu Lichtmessen 
wurden drei Zjnse fällig, die er um so 
weniger aufbrachte, 
als zu Neujahr der 
letzte Fünfer in des 
Schneiders Sack ge 
wandert war. Mit 
Grauen hatte der 
Stelzenhofer die Be 
obachtung gemacht, 
daß er in jüngster 
Zeit auf allen Wegeu 
vom Enzengruber 
verfolgt wurde. Auf 
der Kirchgasse, beim 
Tagwerk, auf dem 
Marktplatze, überall 
schlich ihn) dieser nach, 
offenbar in der Ab 
sicht, ihn zu drängen, 
daß er endlich mit den 
Zinsen ernst mache 
und ihm allenfalls ein 
Stücklein Vieh abzu 
zwacken. Bis jetzt war 
es dem alten Schuldenzappler immer noch 
gelungen, seinen: Bedränger fein zu ent 
schlüpfen und so weit an ihm vorbeizu 
kommen, daß er nicht Rede stehen nrußte. 
Aber der Enzengruber wußte seine schlaue 
sten Ausreißer zu finden. 
Eines Nachmittags zu Ende Jänner saß 
der Stelzenhofer mit Nandl, seiner ältesten 
Tochter, allein in der Wohnstube. Die 
anderen Kinder waren teils in der Schule, 
teils im Holz und die Mutter leistete bei 
einer Nachbarin Aushilfe. Während die 
Nandl spann, schaute der Vater etwas ge 
langweilt zum- Fenster hinaus. Plötzlich 
schrie er laut auf: „Himmelstern, jetzt geht's 
gefehlt. Da kommt der Enzengruber schnür-
	        
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