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geheuer war die Beteiligung des Wiener
Volkes. Luegers Anhänger wußten wohl,
daß sie ihm keine größere Freude bereiten
könnten, als indem sie seine Mutter ehrten.
Denn mit rührender Zärtlichkeit hat er stets
an seiner Mutter gehangen, und auch nach
dem sie tot war, umschwebte ihn ihre Ge
stalt immer noch. „Sie lebt nicht mehr",
äußerte er einmal, „aber ihr energischer, starker
Geist soll mich stets umschweben." In den
erhebendsten Augenblicken, wenn das Volk
dem siegreichen Kämpfer und erfolggekrönten
ehren, auf daß du lange lebest und es dir
wohlergehe auf Erden — und Gott sei
Dank, mir ist es immer wohlergangen."
Was ihm seine Mutter war und wie
er gegen sie gesinnt ist, hat Dr. Lueger auf
eine ebenso originelle als wirksame Art aus
dem Wiener Rathause zum Ausdruck ge
bracht und sozusagen verewigt. Es sollte
sein Bild gemalt werden für die Bürger
meistergalerie des Wiener Rathauses. Er
gab dem ausführenden Künstler den Auf
trag, auch seine Mutter auf das Bild zu
Bilder aus Gberösterreich: 40;ähriges Uriester-Jubiläum i« Schwanenstadt.
Sitzend von links nach rechts: F. Bodingbauer, Pfarrer in Atzbach; G. Schachinger, Dechant und Pfarrer in Moosbach;
LloHöi^Hors Dr. Martin Fuchs, Professor in Linz; Joh. G. Huber, Dechant in Schwanenstadt; Franz Althuber, Stiftsbof-
meister in Linz; Franz Fuchs, Benefiziat in Bad Ischl. — Stehend: P. Agapit Katzinger 0. S. B. in Kremsmünster; Josef
Sigl, Pfarrer in Garsten; Matthias Felleitner, Pfarrer in Lohnsburg; Johann Kienbauer, Pfarrer in Pram; Franz Mühl-
eder, Pfarrer in Eberschwang-
Führer zujubelte, da tauchte das Bild seiner
Mutter vor seinem Geiste auf und es war
ihmHerzensbedürfnis,ihröffentlichzuhuldigen
und sie gleichsam teilnehmen zu lassen an
dem Glanz, an der Ehre, die ihn um
strahlten. Als er bei der glanzvollen Feier
seines fünfzigsten Geburtstages mit tränen
erstickter Stimme seiner Mutter gedachte,
blieb in dem großen Raume kein Auge
trocken. Aehnliches wiederholte sich noch mehr
als einmal. An dem Ehrenfeste, das das
Volk von Wien dem sechzigjährigen Lueger
bereitete, sagte er bei Erwiderung der Glück
wünsche: „Ich habe mir immer das Gebot
vorgehalten: Du sollst Vater und Mutter
bringen. Und das ist denn auch geschehen.
Wir erblicken den geistes- und redemächtigen
Bürgermeister in der Pose des Redners,
die Rechte auf ein Tischchen gestützt. Aus
dem Tischchen gewahren wir in einfachem
Rahmen das Bild einer alten Frau in
schlichtem Gewände — es ist Dr. Luegers
Mutter. „Meiner Mutter verdanke ich meine
Größe", das liest jeder Beschauer aus dem
Bilde heraus. So können wir dem Worte
eines Biographen Luegers ruhig Glauben
schenken, der versichert:
„Selten dürfte eine Mutter so viel
Liebe von ihrem Sohne erfahren haben, als
Frau Julian« Lueger."