Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1911 (1911)

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geheuer war die Beteiligung des Wiener 
Volkes. Luegers Anhänger wußten wohl, 
daß sie ihm keine größere Freude bereiten 
könnten, als indem sie seine Mutter ehrten. 
Denn mit rührender Zärtlichkeit hat er stets 
an seiner Mutter gehangen, und auch nach 
dem sie tot war, umschwebte ihn ihre Ge 
stalt immer noch. „Sie lebt nicht mehr", 
äußerte er einmal, „aber ihr energischer, starker 
Geist soll mich stets umschweben." In den 
erhebendsten Augenblicken, wenn das Volk 
dem siegreichen Kämpfer und erfolggekrönten 
ehren, auf daß du lange lebest und es dir 
wohlergehe auf Erden — und Gott sei 
Dank, mir ist es immer wohlergangen." 
Was ihm seine Mutter war und wie 
er gegen sie gesinnt ist, hat Dr. Lueger auf 
eine ebenso originelle als wirksame Art aus 
dem Wiener Rathause zum Ausdruck ge 
bracht und sozusagen verewigt. Es sollte 
sein Bild gemalt werden für die Bürger 
meistergalerie des Wiener Rathauses. Er 
gab dem ausführenden Künstler den Auf 
trag, auch seine Mutter auf das Bild zu 
Bilder aus Gberösterreich: 40;ähriges Uriester-Jubiläum i« Schwanenstadt. 
Sitzend von links nach rechts: F. Bodingbauer, Pfarrer in Atzbach; G. Schachinger, Dechant und Pfarrer in Moosbach; 
LloHöi^Hors Dr. Martin Fuchs, Professor in Linz; Joh. G. Huber, Dechant in Schwanenstadt; Franz Althuber, Stiftsbof- 
meister in Linz; Franz Fuchs, Benefiziat in Bad Ischl. — Stehend: P. Agapit Katzinger 0. S. B. in Kremsmünster; Josef 
Sigl, Pfarrer in Garsten; Matthias Felleitner, Pfarrer in Lohnsburg; Johann Kienbauer, Pfarrer in Pram; Franz Mühl- 
eder, Pfarrer in Eberschwang- 
Führer zujubelte, da tauchte das Bild seiner 
Mutter vor seinem Geiste auf und es war 
ihmHerzensbedürfnis,ihröffentlichzuhuldigen 
und sie gleichsam teilnehmen zu lassen an 
dem Glanz, an der Ehre, die ihn um 
strahlten. Als er bei der glanzvollen Feier 
seines fünfzigsten Geburtstages mit tränen 
erstickter Stimme seiner Mutter gedachte, 
blieb in dem großen Raume kein Auge 
trocken. Aehnliches wiederholte sich noch mehr 
als einmal. An dem Ehrenfeste, das das 
Volk von Wien dem sechzigjährigen Lueger 
bereitete, sagte er bei Erwiderung der Glück 
wünsche: „Ich habe mir immer das Gebot 
vorgehalten: Du sollst Vater und Mutter 
bringen. Und das ist denn auch geschehen. 
Wir erblicken den geistes- und redemächtigen 
Bürgermeister in der Pose des Redners, 
die Rechte auf ein Tischchen gestützt. Aus 
dem Tischchen gewahren wir in einfachem 
Rahmen das Bild einer alten Frau in 
schlichtem Gewände — es ist Dr. Luegers 
Mutter. „Meiner Mutter verdanke ich meine 
Größe", das liest jeder Beschauer aus dem 
Bilde heraus. So können wir dem Worte 
eines Biographen Luegers ruhig Glauben 
schenken, der versichert: 
„Selten dürfte eine Mutter so viel 
Liebe von ihrem Sohne erfahren haben, als 
Frau Julian« Lueger."
	        
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