Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1909 (1909)

  
  
  
  
das ausgeſchnittene Kirchenfenſter machten 
es alsbald klar, welch’ ſchauriger Vorgang 
hier während der Nacht sich abgespielt hatte. 
Eine allgemeine Teilnahme gab ſſich 
kund, als das Ereignis unter den Leuten 
bekannt wurde. Man erzählte ſich von dem 
gestrigen furchtbaren Auftritte, der abends 
im kleinen Arbeiterhäuschen statt- 
  
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am Tiſche des Herrn gekniet waren, an- 
getan mit weißen Kleidchen, mit roten 
Schärpen geziert. Still und feierlich ſchritt 
der Zug einher, nur die Stimme des 
Priesters erklang aus den Reihen der Leid- 
tragenden, es war der Jubelgeſang, den 
der Priester beim Begräbniſſe unſchuldiger 
  
gefunden hatte. Tiefer Blickende 
brachten ihn mit dem Aufenthalte 
des Knaben in der Kirche in Ver- 
bindung, da er dort wahrſchein- 
lich Schug geſucht habe gegen 
die Zornesausbrücheſeines Vaters. 
Den ganzen Tag zogen die | 
Leute zum Häuschen hin, wo 
der Knabe auf ſeinem Paradi- 
bettchen ſo ſchön wie ein Eng- 
lein dalag. In ſeinen Händchen 
hielt er ein Kreuzlein, ein duf- 
tender Kranz von Blumen ver- 
hüllte ſchonend die tiefe, breite 
Wunde an ſeiner Stirne. In 
einem Winkel des Stübchens 
kauerte der unſelige Vater, ſeine 
Augen waren blau unterlaufen, 
ſein Blick stier, seine ganze Ge- 
ſtalt wie erdrückt von einer furchte.nn. 
baren Laſt. Auf der andern .. 
Seite kniete die Mutter an | 
Bette ihres kleinen Pepi, aueh | 
ſie leichenblaß im Geſichte, die 
Lippen ſchmerzvoll zuſammenr |. 
gepreßt, eine Träne nach de |. 
anderen rann über die eingefale |_ 
lenen Wangen. –} Aber tos). 
der Qualen, die ihr Herz durch- | 
ſchnitten, stieg aus der Tiefe | 
ihrer Seele lindernd und tröſtend | 
der Gedanke: „Mein Pepi hat.. 
für Jeſus ſein Leben hingkgeben, 
ich bin die Mutter eines Mar- 
tyrers !“ 
Zwei Tage waren ſeitdem vergangen, 
es fand das Begräbnis statt. Die Knaben, 
die mit dem Verſtorbenen zur ersten heiligen 
Kommunion gegangen waren, hatten flehent- 
  
lich gebeten, abwechſelnd den Sarg ihres 
 HVNitſchülers tragen zu dürfen; vor dem- 
ſelben schritten, Engeln gleich, die Mädchen, 
die ebenfalls an jenem Tage zum erſtenmale 
  
  
Se. Exzellenz Ackerbauminiſter Dr. Ebenhoch 
feierte am 16. Juli im engsten Familientreiſe in Hallstatt seine ſilberne Hochzeit.. 
Kinder anstimmt: „Lobet, ihr Knaben, den 
Herm –~ ." Schluchzend folgte die 
Mutter. Unmittelbar hinter dem Sarge der 
Vater. Sein Schritt war müde, ſeine Knie 
wankend, seine Augen zu Boden geſenkt. 
Als man den Sarg in die Grube geſenkt, 
entrang ſich ein Schmerzensſchrei ſeinem 
Munde, und bewußtlos fiel er zuſammen. 
  
 
	        
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