Volltext: Oberösterreichischer Preßvereins-Kalender auf das Jahr 1902 (1902)

(121) 
Wie eine drückende Last lag auf dem 
Herzen Paulins der Gedanke: Nicht mich 
hat er geheiratet, meine Thaler haben ihn 
angezogen. 
Wie oft dachte sie jetzt schon an die 
Mutter, nach so wenigen Monaten. 
Zum Spielen kam noch die Trinkwuth. 
In der ersten Zeit hatte er sich in dieser 
Hinsicht mehr gehütet, weil sich Paulin in 
seiner Gesellschaft befand. Als sie jedoch 
später nicht mehr mit ihm gieng, kam er oft 
berauscht nach Hause. 
Alles Bitten war 
vergebens. Er wurde 
nicht anders. Sie be 
schwor ihn, er solle doch 
wieder so werden, wie 
er früher gewesen, 
wieder vergebens. 
So verdunkelte sich 
unheimlich schnell die 
Sonne des ehelichen 
Glückes,welche erst noch 
so hell zu leuchten schien. 
Und mit dem Schwin 
den der Sonne schwand 
Licht und Wärme. 
Man verstand sich nicht 
mehr, man liebte sich 
nicht mehr, wie es im 
Ehestände Grundbe 
dingung jeglichen 
Glückes ist. — 
Schon zum zweiten 
mal war Heinrich zum 
Glöcklwirt gekommen, 
er brauche Geld. 
Das hatte er mehr 
im gebieterischen als im 
bittenden Tone ge 
sprochen. 
„Wo hast du das andere Geld? Paulin 
hat wohl ihre Aussteuer bekommen." 
„Soll das ihre ganze Aussteuer ge 
wesen sein? Das sagt der Glöcklwirt?" 
„Aber, Heinrich,wo denkst du denn hin?" 
„Wo ich hindenke? Glaubst du, um 
dies Geld hätte ich sie geheiratet?" 
Der Glöcklwirt gab ihm die verlangte 
Summe. Das Heiratsgut hatte Heinrich 
zur Hälfte für die Begleichung der Schulden 
Dr. 
der neue IVeihbischof von Salzburg. 
verbraucht. Die zweite Hälfte schmolz Tag 
für Tag schneller zusammen. 
Das zweitemal verweigerte der Schwie 
gervater das Geld. Zornig kam Heinrich 
nach Hause. Er fluchte und sagte, wenn er 
dies früher gewusst hätte. .. . 
„Was hättest du früher wissen wollen, 
Heinrich?" 
„Wie dein Vater ist." 
„Was hättest du gethan?" 
„Du säßest meinetwegen beim Müller 
Paulin weinte und 
schluchzte bis tief in 
die Nacht hinein. 
Vom Wald herüber 
hörte sie die Mühle 
rauschen, und ihr 
Rauschen klang so son 
derbar, so wehmüthig. 
Vor der Seele Paulins 
stand das Bild der 
Mutter; immer wieder 
musste die Unglückliche 
schluchzen und weinen. 
Dann betete sie und 
endlich schlief sie ein. 
O Mutter, wie gut 
hast du es doch gemeint 
mit mir! Hätte ich doch 
deinem Flehen gefolgt 
in deiner Sterbestunde! 
Mutter, vergib deinem 
Kinde! — 
IV. 
Auch der Glöckl 
wirt bereute es bald, 
seine einzige Tochter 
dem Grasenjäger zum 
Weib gegeben zu haben. Aber das Wort 
Grafenjäger hatte es ihm angethan. Als 
ob ein Grafenjäger so viel besser sei als 
ein tüchtiger Geschäftsmann im Dorf. 
Doch Heinrich hatte es verstanden, sich 
in das Herz des. Glöcklwirt einzuschleichen. 
Sein Auftreten war vornehm, als ob er 
der Graf selbst sei, dazu hatte er ein Stück 
Welt gesehen, und wusste zu erzählen von 
seinen Reisen. Auch brachte er, was es an 
Neuigkeiten in den bessern Ständen gab, 
dem Glöcklwirt zu Ohren und that dabei,
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.