Volltext: Wie steht es mit Polen? [49]

stand und das Mißtrauen der Westmächte gegen seine politischen 
Pläne und schuf sich einen Einstuß unter den europäischen Mon¬ 
archen, der die von ihm erträumte europäische Stellung Rußlands 
tatsächlich herbeiführte. Endlich ergriff er damit das sicherste 
Mittel, um den bei weitem größten Teil der polnischen Beute 
für Rußland zu erhaschen. 
Auf diesen letzterwähnten Punkt kann nicht scharf genug ge¬ 
achtet werden. Während der Kongreß die falsche Vorstellung 
eines in drei Teile unter drei Mächte verteilten Polens festhielt, 
sorgte Kaiser Alexander dafür, daß Österreich und Preußen nur 
die Verpstichtungen, nicht die Vorteile aus dieser trügerischen 
Lösung der Frage ernteten. Die Gebietsverteilung von 1795 
wurde nicht wiederhergestellt. Weder Preußen noch Österreich 
erhielten zurück, was sie 1795 gewonnen hatten. Preußen verlor 
also den ihm damals zugewiesenen Teil von Masovien, in dem 
Warschau und Bialystok liegen, und der das Land an der 
Weichsel um Warschau sowie das Gebiet nördlich vom unteren 
Bug umfaßte; man nannte es unter preußischer Herrschaft „Neu- 
Ostpreußen". Österreich verlor gleichfalls ein großes Gebiet im 
Norden des heutigen Galiziens. Aber auch von dem 1793 er¬ 
haltenen Anteil — damals „Südpreußen" genannt —, behielt 
Preußen kaum die Äälfte. Außer dem Bezirk von Thorn ver¬ 
blieb ihm nur der westliche Teil; das östliche Südpreußen fiel 
dem neuen russischen Polen anheim. Was Preußen und Öster¬ 
reich zusammen erhielten, machte nur ein Fünftel des ganzen 
ehemaligen polnischen Besitzes aus; von den anderen vier Fünf¬ 
teln wurde nur „Kongreßpolen", d. h. alles, was zum „Herzogtum 
Warschau" gehört hatte, das Gebiet des neuen Königreichs unter 
russischem Zepter. Das Schicksal dieses Königreichs ist bekannt. 
Alexander I. blieb noch der übernommenen Rolle treu. Aber sein 
Nachfolger, Nikolaus I., dessen innerster Natur und politischen 
Überzeugungen die konstitutionelle Regierung widerstrebte, geriet 
mit seinen polnischen Untertanen in Konstikte, die auf polnischer 
Seite zum Aufstand führten. Das Ende war die völlige Ein¬ 
verleibung Polens in Rußland und die rücksichtsloseste Knechtung, 
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