Volltext: Wie steht es mit Polen? [49]

stören, aber doch den jetzt kräftiger einsehenden inneren Reform¬ 
bestrebungen in Polen Ermutigung und Anterstützung zuteil werden 
ließ. Als Lertzberg die Leitung der preußischen Politik aus der 
Land legen mußte, wurde freilich dieser Kurs nicht mehr inne¬ 
gehalten. 
Die Polen stellten nun wirklich ihr Staatswesen auf eine 
neue Grundlage: die Verfassung vom 3. Mai 1791. Sie konnte 
das Ende der russischen Pläne bedeuten, darum beschloß Katharina, 
einen entscheidenden Schritt zu tun. Die russenfreundliche Gegen¬ 
partei der Patrioten vom 3. Mai — diese Gegenpartei, die nichts 
anderes als ein von Rußland organisierter Landesverrat war — 
wurde zu einem schändlichen Spiel veranlaßt, das die erneute 
russische Einmischung in Polen herbeiführte. Die Kaiserin hatte 
erkannt, daß es für Rußland vorteilhafter sein würde, wenn es 
die Verantwortung für diese Gewaltpolitik nicht allein trug. Des¬ 
halb schlug sie in Berlin die Beteiligung daran vor, und Preußen 
folgte dieser Lockung, teils weil das Zusammengehen mit Rußland 
überhaupt im Sinne seiner Politik lag, teils aus der Ansicht 
heraus, daß jede Vergrößerung des Staatsgebietes ein Gewinn 
sei und daß man die Gelegenheit dazu grundsätzlich nicht vorüber¬ 
gehen lassen dürfe. Es kam dem König offenbar nicht zum Be¬ 
wußtsein, daß er sich bei dieser „zweiten Teilung Polens" zum 
Werkzeug der russischen Politik machte und damit von den Ge¬ 
sichtspunkten seines Vorgängers bei der ersten Teilung abwich. 
Im Jahre 1772 durchkreuzte Friedrich der Große Rußlands Be¬ 
strebungen und schränkte sie ein; im Jahre 1793 half Friedrich 
Wilhelm II. Rußland einen Teil der Verantwortung und der 
unliebsamen Folgen tragen. Die dritte Teilung (1795), bei der 
auch Österreich sich wieder heranziehen ließ, war nur die Fort¬ 
setzung und der Schluß des einmal Begonnenen. 
Bei der gemeinsamen Schuld der drei östlichen Großmächte 
an dem Schicksal Polens war es erklärlich, daß Napoleon in der 
Anregung der polnischen Loffnungen aus Befreiung ein vorzüg¬ 
liches Mittel erkannte, um sich einen Stützpunkt gegen die Ost¬ 
mächte zu verschaffen. Die Polen lohnten ihm dafür mit hin¬
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.