Volltext: Sozialismus und Sozialisierung in England

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beweisen, daß das Gleichgewicht der Eisenbahnfinanzen heute auf 
den staatlichen Zuschüssen beruht, mit deren Fortdauer aus fiska 
lischen und aus allgemein politischen Gründen kaum zu rechnen 
ist. Auch der Staat würde zweifellos, wenn er die Bahnen über 
nähme, zu erheblichen Tariferhöhungen genötigt sein. Die ent 
scheidende Frage ist deshalb, ob die öffentliche Meinung und be 
sonders die Arbeiterschaft die zugunsten eines staatlichen Eisen 
bahnsystems eingeführten Tariferhöhungen leichter hinnehmen 
würde als solche, die der Aufrechterhaltung des Privatkapitalismus 
im Eisenbahnwesen zu dienen hätten. 
In den ersten Monaten nach Beendigung des Krieges schien 
weder die öffentliche Meinung eine klare Stellung zu dem Eisen 
bahnproblem gefunden zu haben, noch lag genügend einwandfreies 
Zahlenmaterial über die finanziellen und wirtschaftlichen Ergebnisse 
der Kriegskontrolle vor, als daß sich darauf eine zielbewußte 
Politik hätte gründen lassen. Regierung und Parlament beschlossen 
deshalb, den bestehenden Zustand der staatlichen Kontrolle und 
Gewinngarantie um zwei Jahre zu verlängern (bis August 1921). 
Als ein Beweis dafür, daß die Regierung die während des 
Krieges ausgeübte und bisher vom Handelsamt wahrgenommene 
Verkehrskontrolle nicht abzubauen, sondern vielmehr auszudehnen 
beabsichtigte, konnte die Einbringung der Ways and Communi- 
cation Bill im Febrnar 1919 gelten, die am 15. August 1919 als 
Gesetz über die Errichtung eines Verkehrsministeriums verab 
schiedet worden ist 1 ). Der Zuständigkeit des hierdurch zunächst 
auf die Dauer von zwei Jahren geschaffenen Ministeriums wurden 
nicht nur die Eisenbahnen, sondern auch Kleinbahnen, Straßen 
bahnen, Kanäle, Binnenwasserstraßen, Brücken, Fähren, Häfen, 
Docks und Piers unterstellt. Im Hinblick auf eine spätere Aus 
gestaltung der jetzigen Kontrolle zu einer Form des Staatsbetriebes 
sind besonders folgende Bestimmungen bedeutsam. Der Minister 
erhält die Befugnis, unter gewissen Bedingungen andere als die 
bisher schon kontrollierten Unternehmungen der genannten Art in 
staatlichen Betrieb zu nehmen, sowie selbst neue Unternehmungen 
zu errichten, letztere allerdings erst zwei Jahre nach Erlaß des 
Gesetzes. Den der Aufsicht des Verkehrsministers unterstehenden 
Unternehmungen können staatliche Vorschüsse bis zu 1 Million £ 
gewährt werden nach vorheriger Genehmigung des Schatzamtes. 
Dem Ministerium wurde ein wirtschaftlicher Beirat aus fünf Mit- 
*) Wortlaut und Erläuterung des Gesetzes im Archiv für Eisenbahnwesen 
1920, S. 758—774.
	        
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