Volltext: Feldgrau schafft Dividende

41 
derbekommen, gereinigt, entlaust und entkeimt. Leider ist 
sie dabei recht eingeschrumpft. Genau wie mein Körper. 
Ein Kamerad leiht mir eine dicke, derbe Stopfnadel. Das 
Garn zupfe ich aus der Wolldecke meines Lagers. Es ist 
prima Wolle. Keine elende Ersatzbaumwolle wie bei unseren 
deutschenMilitärdecken. Hier herrscht keinMaterialmangel. 
Langsam, Stich um Stich, im Bett sitzend, flicke ich meine 
Uniform, schneide aus den Innenbesätzen ein Stück feld 
graues Tuch, um es in die faustgroße Rückenwunde des 
Rockes einzusetzen. Und während dieser durchaus feld 
mäßigen Tätigkeit fühle ich mich in die heimatliche Putz- 
und Flickstunde einer säuerlich duftenden Kasernenstube 
versetzt. Fast ungewollt, in meiner Zerstreutheit, kommt es 
leise aus mir heraus, und nach Wochen des Elends, nach 
Schmerz und Todesgefahr, summen alte Soldatenlieder von 
meinen Lippen. 
Ist es ein Zeichen wiedererwachter Lebenslust, ist es Ge 
wohnheit, Vergessensuchen oder Wehmut: die fünfund 
zwanzig Gefangenen im großen, getünchten Sarg singen auf 
einmal alle. Singen mit blutleeren Lippen das wehmütige 
Lied von der Annemarie, von der Kugel, die uns vielleicht 
einst totschießen wird, uns und die ganze Kompanie. Singen 
das Lied vom Argonner Wald, wechseln zu lustigen Marsch 
weisen hinüber: „Wenn die Soldaten durch die Stadt mar 
schieren ... ei warum, ei darum, ei bloß wegen demTsching- 
darassa bummdarassa... “ 
Nicht gelacht, nicht aufgeschaut! Jeder ist mit sich be 
schäftigt. Würden uns vielleicht voreinander schämen ob 
dieses Gesanges. Unsere Gedanken schweifen in frohe Gar 
nisonstage, verweilen bei Gelegenheiten, wo diese Lieder aus 
gutgelaunten Kehlen stiegen. Sie waren uns ein Stück Hei 
mat, diese einfachen, schlichten Soldatenweisen. Sie waren 
uns Hoffnung und Trost, die kindlichen Worte^Erfrischung 
sind sie uns mm, hier im Herzen Frankreichs.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.