Donnerstag, den 1. Oktober 1914.
Heute schreiben wir schon Oktober, und es war im Juli, als
ich die Kluft anzog, die seither nicht von meinem Körper ge¬
kommen ist. Was wird der Monat bringen? Wie oft werde ich
noch hier unten eine Monatswende zu registrieren haben? Ich
hatte heute beim Train genächtigt und marschierte morgens
wieder nach Hause. Bei der Fahrküche der 15. Kompagnie hatte
ich ein für mich eingelangtes Paket vorgefunden und behoben,
das wer weiß wie lange dort gelegen.
Beim mobilen Feldspital, bestehend aus zusammengestellten
Baracken, begegnete mir ein Mann, der mir nach Haltung, Gang
und Mütze bekannt vorkam. Sein Gesicht konnte ich nicht er¬
kennen, denn es war von einer blutüberströmten Binde verhüllt,
die die Hälfte seiner Augen, die Oberlippe und die Ohren be¬
deckte. Es tropfte auch Blut auf die Erde. „Hailoh, was ist mit
dir?“ „Ach, Korporal Kisch, entschuldige, daß ich dich nicht
erkannt habe, die Binde reicht mir bis über die Augen.“ Jetzt
erkannte auch ich den Verwundeten. Es war der Ersatzreservist
Sperl, der schon am 18. August auf Todorow Rt durch einen
Schrapnellschuß in die Schläfengegend verwundet worden, aber
in der Front geblieben war. 14 Tage später, bei der Rettung der
verlaufenen Patrouille von der 16. Kompagnie, kam Sperl mit
durchschossenem Arm wieder glücklich über den Strom und
mußte trotz seiner neuerlichen Weigerung ins Spital. Dort kon¬
statierte man, daß ein Schrapnellsplitter noch oberhalb seines
Ohres stecke und extrahierte diesen. Ein paar Tage später war
er wiedergekommen — gerade zur rechten Zeit, um noch die
Sintflut vom 8. September zu erleben. Und nun ist er wieder
verletzt. „Na, jetzt bleibst du wohl länger weg?“ meinte ich, aber
er protestierte: „Nein, nein, ich gehe nur mich ordentlich ver¬
binden lassen, mein Verband taugt nichts. Mittags bin ich aber
wieder oben.“ Das ist natürlich unmöglich, und der arme Kerl
wird wohl jetzt längere Zeit fortbleiben.
Am Hilfsplatz hatten die Ärzte viel mit neuen Verwundeten
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