Volltext: Der Völkerkrieg Band 2 (2 / 1915)

Der flandrische Kriegsschauplatz 
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den Straßen, um nach den Fliegern über ihren Köpfen zu sehen. Sie waren der Meinung, 
daß es nur ein einziger Flieger sei. Jedoch nach einigen Minuten sing die Glocke wieder 
an zu läuten, und diesmal kreuzten fünf deutsche Flugzeuge am klaren Himmel. Ein 
Aeroplan kam nördlich von der See, und vier andere von Osten. Fünf schwebten unge 
fähr 3000 Fuß über dem Hauptplatz von Dünkirchen. Inzwischen wurden die Kanonen 
der Forts in Stellung gebracht; überall um die deutschen Flieger sah man die Weißen 
Wölkchen platzender Schrapnells. Einer der Zweidecker wandte sich zur Rückkehr. AIs 
die Sonnenstrahlen auf seinen Stahlteilen aufglänzten, kam das Volk aus den Kellern 
heraus mit lautem Jubel, denn es dachte, der Zweidecker habe Feuer gefangen. Jedoch 
es kamen mehr und mehr Flieger, nicht auf einmal, sondern einer nach dem anderen 
und sie warfen nacheinander ihre Bomben herab auf die Vorstädte von Dünkirchen 
Maclo, Condekerk, Rosendahl und St. Pol. Insgesamt wurden 50 Bomben herabge 
worfen, von denen einzelne Explosivbomben, die anderen Brandgranaten waren. In 
Maclo wurden fünf Personen getötet, in Dünkirchen eine, in St. Pol wurden ebenfalls 
mehrere Personen getötet. Da kein amtlicher Bericht darüber herausgegeben wurde, ist 
es unmöglich, genaue Ziffern anzuführen. In Adinkerke (in der Nähe von La Panne) 
sollen vier Personen getötet worden sein. Die Brandgranaten explodierten mit einem 
verhältnismäßig leichten Knall." Zwei der Flieger wurden, wie „Daily Mail" 
behauptet, in der Nähe von Dünkirchen durch Kanonen heruntergeschossen, und ein 
anderer bei Wulpen etwa 20 Meilen von den deutschen Linien entfernt. In allen anderen 
Berichten wird jedoch übereinstimmend mitgeteilt, daß das deutsche Luftgeschwader un 
beschädigt seinen kühnen Flug über Dünkirchen nach der See hin fortsetzen konnte. 
In Calais 
Mitte Oktober 1914 wimmelte es in Calais von belgischen und französischen Flücht 
lingen (vgl. II, 179; allmählich wurden diese nach England und Südfrankreich abge 
schoben. Dann begann man die alten Festungswerke instand zu setzen und zugleich für 
die vielen Verwundeten Platz zu schaffen, die aus den Schlachten irr Flandern und Nord 
westfrankreich unablässig hereinströmten. Glich Calais vorher einem großen Flüchtlings 
lager, so glich es jetzt einem großen Lazarett. 
Der norwegische Schriftsteller Sven Elvestad gibt in der „Frankfurter Zeitung" fol 
gendes Stimmungsbild von seiner Fahrt nach Calais: „Der Kanaldampfer, der 
mich von England nach Calais brachte, war voll von Rote Kreuz-Schwestern, von fran 
zösischem Militär und jungen Belgiern. Es waren Flüchtlinge, die heimkehrten, um sich 
unter die Fahnen zu begeben, und zwar mehrere Hundert. Ein Teil gut gekleidet, be 
nahm sich anständig, während andere in schmutzigen, abgerissenen Anzügen, laut lärmten. 
Auch Betrunkene waren unter ihnen. Ab und zu kam es auf dem großen Deck in der 
Dunkelheit zu einem Geschrei, das sich dann rasch über das ganze Schiff verbreitete und 
in der ersten Strophe der Bräbanyonne oder der Marsaillaise ertrank. Französische 
Offiziere blickten kaltprüfend auf diese jungen Menschen, ohne Mitgefühl oder auch nur 
Anerkennung darüber zu verraten, daß diese heimatlose Jugend in den Kampf zurückkehrte. 
Bevor wir Calais erreichten, war es schon längst dunkel geworden. Auf dem schwach 
beleuchteten Kai standen Soldaten der Verbündeten, bunt durcheinander gewürfelt. Sie 
wurden von den Truppen auf dem Schifte mit gewaltigem Geschrei begrüßt. In der 
Dunkelheit war nichts deutlich zu erkennen; ich hatte nur die Vorstellung einer großen 
Ansammlung von Menschen und einem Gewirr leidenschaftlicher Stimmen. Der Leucht 
turm von Calais, der mitten in der Stadt steht, sieht aus wie ein ungeheurer Arm, 
der Lanzen von Licht um sich herum wirft. Ich beeile mich, aus dem Menschenschwarm 
herauszukommen, und wandere durch die Stadt. In den halb dunklen Straßen treiben
	        
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