204 Das Ringen im Osten bis zur Neugruppierung der verbündeten Heere
über deren Bedeutung und Behandlung werden jedenfalls für ihren Ausbau nicht sehr günstig
gewesen fein. Es ist eher anzunehmen, daß sie nur geringe Widerstandskraft besitzen.
Serozk(-Legrsh) an der Einmündung des Bug in den Narew sollte mehrere Forts
erhalten; Nowogeorgiewsk, an der Einmündung des Bug-Narew in die Weichsel,
hat neben der alten Kernbefestigung in den dreißiger Jahren einen Gürtel von acht
vorgeschobenen Forts erhalten, die etwa sieben Kilometer von der Kernumwallung entfernt
liegen. In den letzten Jahren soll ein neuer, weiter vorgeschobener Fortsgürtel an
gelegt worden sein.
Warschau hat auf dem linken Weichselufer elf Forts und ein Zwischenwerk, aus dem
rechten Ufer sechs Gürtelwerke. Auch hier sollte ein neuer Fortsgürtel angelegt werden,
der eine unmittelbare Verbindung mit demjenigen von Nowogeorgiewsk Herstellen sollte.
Wie weit dieser Plan ausgeführt ist, ist nicht bekannt geworden.
Für einen Vormarsch aus westlicher Richtung aus Posen und Schlesien kommt die
Weichsel in Betracht, die in Halbkreisform die Mitte des ganzen polnischen Krieg
schauplatzes durchströmt. Dieser Fluß bildet wegen seiner Breite und Tiefe ein sehr
bedeutendes militärisches Hindernis, das noch dadurch vermehrt wird, daß der Fluß
häufig über die niedrigen, nicht eingedeichten Ufer tritt und weite Strecken Landes unter
Wasser setzt. Die Westfront wird auf dem nördlichen Flügel durch die bereits erwähnte
Festungsgruppe von Warschau gebildet, während aus dem linken, an der Einmündung des
Wieprz, die Festung Jwangorod liegt. Die Anlagen bestehen aus einem Kernwerk,
das von acht Werken umgeben ist, die einen Umfang von 20 Kilometer besitzen. Nur ein
Teil ist modernisiert. Aber die Zwischenfelder sind durch bombensichere Räume verstärkt.
Den Rückhalt der ganzen Weichselbefestigung bildet in zweiter Linie das am Bug
gelegene Brest-Litowsk, das zugleich als Brückenschutz wichtig ist und die Eisenbahn
Warschau—Moskau beherrscht. Die Festung hat sechs Forts, von denen zwei aus dem
linken und vier aus dem rechten Bugufer liegen. Sie haben den Nachteil, daß sie sehr nahe
an der Brückenstelle liegen und diese deshalb nur unvollkommen schützen. Einige kleinere
im Süden von Polen gelegene Anlagen haben keinen größeren militärischen Wert mehr.
Ein von der Nordgrenze Galiziens ausgehender Vormarsch findet deshalb keinen
fortifikatorischen Widerstand. An den Festungen Brest-Litowsk und Jwangorod kann er
ohne weiteres vorbeimarschieren, da sie an keinem nach Süden gerichteten Abschnitt liegen.
Die russischen Befestigungen haben im allgemeinen nur eine geringe Widerstandskraft,
namentlich fehlen alle Panzeranlagen, da die Russen bis vor kurzem grundsätzliche Gegner
der Panzerbefestigung waren. Es bedarf deshalb vielleicht gar nicht des Einsetzens der
schwersten Belagerungsgeschütze, um mit ihnen fertig zu werden. Sie werden weder einen
deutschen noch einen österreichischen Vormarsch kaum lange aufhalten können, mag er
aus dieser oder jener Richtung kommen."
Die Kämpfe an der ostpreußischen Grenze
Die Reorganisation der russischen Armee
Die Narewarmee des gefallenen Generals Samsonow hatte nach der Schlacht bei
Tannenberg zu existieren aufgehört; ihre kümmerlichen, zersprengten Reste wurden von
den Festungsbesatzungen und Reserveformationen Warschau, Ostrolenka und Lomsha
aufgenommen. Die aufgelösten und stark gelichteten Reihen der Wilna er Armee er
reichten den Festungsgürtel Kowno—Grodno—Bjalostok, wo sie sich sammeln und durch
Reserven ergänzt werden konnten. Immerhin hatten sich noch 300000 Mann aus der
Hindenburgschen Umklammerung gerettet; waren ihm doch im ganzen nicht weniger als
650 000 gegenübergestanden!