Volltext: Der Völkerkrieg Band 1 (1 / 1914)

Oesterreich-Ungarn während der Mobilmachung 
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Oesterreich-Ungarn während der Mobilmachung 
Zusammenfassender Bericht 
Die Mobilisierung der acht Armeekorps Graz, Prag, Leitmeritz, Bosnien, Herzego 
wina, Dalmatien, Temesvar, Pest, Agram war bereits am ersten Mobilmachungstag, am 
28. Juli, beendet. Das Ministerialkomitee für wirtschaftliche Mobilisierungsvorkehrungen, 
in dem alle beteiligten Ministerien vertreten sind, ist in Dauer gesetzt worden. Es hat 
veranlaßt, daß in den von der Mobilisierung betroffenen Gebieten Komitees für wirt 
schaftliche Mobilisierungsvorkehrungen zusammentreten. 
Erzherzog Friedrich, dem jüngst der militärische Wirkungskreis des ermordeten Thron 
folgers Franz Ferdinand übertragen wurde, hat im Auftrag des Kaisers das Ober 
kommando über die österreichische Armee gegen Serbien übernommen. Der Pro 
tektor-Stellvertreter des Roten Kreuzes in der Monarchie, Erzherzog Franz Salvator, ist 
zum Generalinspektor der Freiwilligen Sanitätspflege ernannt worden. 
Die Kriegsbegeisterung ist in Oesterreich fast ebenso groß, wie der Haß gegen 
Serbien und Rußland. Die ganze Mobilisierung vollzieht sich glatt und ruhig; jeder 
weiß, wohin er gehört. Das Publikum spricht die Mannschaften an, drückt ihnen die 
Hand und beschenkt sie mit Geld und Zigaretten. Ueberall herrscht das gleiche Bild: 
freudige Gesichter bei Offizieren und Soldaten, Begeisterung im Volk. 
Die Kundgebungen in Wien überboten einander an Stärke und Begeisterung. 
Als der Kaiser und der Thronfolger am 30. Juli mittags von Ischl in Wien an 
kamen, um sich nach Schönbrunn zu begeben, gestaltete sich die Begrüßung durch die 
seit dem frühen Morgen ihres Kaisers harrende Wiener Bevölkerung, von der sich 
Hunderttauseude an der Einfahrtsstraße eingefunden hatten, zu einer überwältigenden 
Kundgebung der Vaterlandsliebe und Verehrung für den greisen Monarchen. 
Der Patriotismus der Ungarn hat seine Feuerprobe glänzend bestanden. Schon 
bei der Nachricht von der Kriegserklärung an Serbien kam es in Pest zu gewaltigen 
patriotischen Kundgebungen. Etwa 40000 Personen durchzogen unter Vorantragung 
ungarischer und reichsdeutscher Fahnen bei den Klängen einer Militärkapelle die Straßen 
der Stadt. Es wurden verschiedene patriotische Ansprachen gehalten. Militärpersonen 
und Offiziere wurden unter Hochrufen auf das Heer auf die Schultern gehoben. 
In Budapest hielten Kardinal Johann Csernoch und Präsident Baron Samuel 
Jostka in der Sitzung des Magnatenhauses zur Entgegennahme des Vertagungsreskripts 
begeistert aufgenommene patriotische Reden, worauf die Sitzung unter stürmischen Rusen 
auf König, Vaterland und Armee geschlossen wurde. Die ungarische Regierung hat einen 
Aufruf erlassen, in dem es heißt: „Wir stehen an der Schwelle kriegerischer Verwick 
lungen, wir werden zeigen, daß sich jene täuschten, die aus Selbstüberhebung glaubten, 
uns ungestraft beleidigen zu können. Wir müssen beweisen, daß unsere Vaterlandsliebe 
und Tatkraft aus dieser Feuerprobe siegreich hervorgehen wird." 
Die Kriegsbegeisterung in allen österreichischen Landen kommt am schönsten in der 
hohen Zahl der Kriegsfreiwilligen zum Ausdruck: bis Ende August hatten sich 
nicht weniger als 1 250 000 gemeldet. 
Der amtliche Bericht über die österreichisch-ungarische Mobilmachung sagt: „Die 
Mobilmachung der österreichisch-ungarischen Armee verlief über alle Erwartungen glatt 
und ohne Schwierigkeiten; sie bewies, daß alle Zentralstellen im engsten Einver 
nehmen mit der Heeresverwaltung die eingehendsten Vorsorgen getroffen haben. Damit 
allein wäre der volle Erfolg der Mobilmachung aber keineswegs gesichert gewesen; 
es bedurfte hierzu auch noch der loyalen Mitwirkung der gesamten Bevölkerung. In
	        
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