Volltext: Der Völkerkrieg Band 7 (7 / 1917)

108 Die Ereignisse an der Ostfront im dritten Kriegshalbjahr 
Angreifern entgegentrieben. Aber die Verfolgung drang unaufhaltsam von einem Ab 
schnitt zum andern vor und trieb die Zurückweichenden mehr und mehr den großen Sumpf 
gebieten zu, die sich östlich des Bug weit nach Osten ausbreiten, und deren Ungangbar 
keit durch eine Menge sie durchströmender Wafferläufe erhöht wird. Nach Nordoste» 
und Osten zu erreichte die Verfolgung am 30. August den Abschnitt des bei Brest-Litowsk 
in den Bug mündenden Muchawiecflusses, an dem Kobryn liegt, überschritt ihn am 
1. September aus der ganzen Front, am 2. die Jastolda bei Sielec östlich Pruzana, 
kam zugleich bis in die Gegend von Antopol östlich Kobryn und am 3. bis in die Nähe 
von Drohiczyn nur noch 80 Kilometer westlich Pinsk. Nach Südosten hin war gleich 
zeitig die Armeeabteilung des österreichischen Feldzeugmeisters von Puhallo tätig. Die 
dazu gehörige Reiterei, die am 23. August Kowel genommen hatte, warf am 29. August 
eine russische Kavalleriedivision an der Straße Kobryn—Kowel. Oesterreichische Truppen 
der Armceabteilung standen am 2. September in der Gegend südlich des Boloto (Sumpfes) 
Dubowoje, der sich südöstlich Kobryn weithin erstreckt. 
Aus dem südöstlichen Teil der Front in Galizien und in der Buko 
wina, wo seit Wochen nur Stellungskämpfe stattgefunden hatten, begannen die deutschen 
und österreichisch-ungarischen Streitkräfte nach dem Fall von Brest-Litowsk, gedeckt durch 
die Armee Puhallo, am 27. August den Vormarsch. Zunächst durchbrach die aus deutschen 
und österreichischen Truppen bestehende Armee des bayerischen Generals Grafen Bothmer 
die feindlichen Stellungen an dem Flusse Ztota-Lipa, nördlich und südlich Brezezany 
und warf die geschlagenen Russen am nächsten Tage noch weiter auf die Strypa zurück. 
Auch die beiden österreichischen Armeen, die des Generals von Böhm-Ermolli östlich 
Zloezow und im Raume Bialy-Karmen—Toporow—Radziechow nördlich der Armee Bothmer 
und die des Generals von Pflanzer-Baltin südlich der deutschen Gruppe, ergriffen die Offen 
sive gegen die überraschten Russen, die in einer Breite von 250 Kilometern zurückgingen. 
Unterdessen gewannen die Truppen Puhallos, die die Russen am 27. August östlich 
Wladimir-Wolynskij mit kräftigem Stoß gegen Luck zurückgeworfen und damit die Um 
gehung der russischen Südarmee von Nordwesten begonnen hatten, in Wolhynien immer 
mehr an Raum und blieben, nachdem das zäh verteidigte Swiniuchy genommen worden 
war, in hartnäckiger Verfolgung. Schon am 30. August 1915 kam die Umfassung durch 
die Armee Puhallo zur Wirkung. Nach einem zusammenfassenden Bericht von F. v. B. 
im „Berliner Lokalanzeiger" (29. IX. 15) wurde „der Feind nach heftigem Kampf in 
der Gegend nördlich bis nordöstlich von Luck nach Süden geworfen. Hierdurch kam die Armee 
Puhallo am 31. August am unteren und mitlleren Styr in den Besitz der Bahn Kowel 
—Rowno, unterbrach auch die Zweigbahn nach Luck und bedrängte die östliche Ab 
marschstraße auf Rowno. Bereits im Rücken bedroht, blieb den Russen in Luck nur der 
Abzug nach Süden und Südosten offen. Am Abend des 31. August wird die Styr- 
festung Luck erstürmt, die freilich keinen sehr großen Wert als Festung hatte und die, 
obwohl stark ausgebaut, einem so schnellen, umfassenden Angriff aus nördlicher Richtung 
nicht gewachsen war. In Luck wurden nur große Getreidevorräte erbeutet, artilleristisches 
Material, das sich meist an der Front befand, dagegen nur sehr wenig. 
Die drei südlicher stehenden verbündeten Armeen blieben im Vormarsch nach Ostm 
in breiter Front, der nur am 31. August bei der Armee Bothmer durch einen von 
starken russischen Gegenangriffen erzwungenen, aber ebenso rasch überwundenen Aufent 
halt für kurze Zeit verlangsamt wurde. Die Russen leisteten mit ihren Nachhuten auf 
der ganzen Linie zähen Widerstand, der sich überall als vergeblich erwies und nur den 
von ihnen geräumten Landstrichen Unheil brachte; denn wo sie wichen, zeugten weithin 
brennende Orte und ans ihren Wohnstätten vertriebene Bewohner von der Mordbrenner 
lust der russischen Befehlshaber."
	        
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