Volltext: Der Völkerkrieg Band 5 (5 / 1916)

118 Der italienische Krieg bis zur dritten Jsonzoschlacht 
Wie z. B. der Einmarsch in Cortina d'Ampezzo vor sich ging, schildert jener Alpini- 
hauptmann, von dessen Tagebuch-Eintragungen hier schon wiederholt Auszüge gegeben 
wurden (vgl. S. 59 und S. 105) folgendermaßen: „Den wenigen Bewohnern, die hier 
zurückgeblieben waren, riefen wir ein „Evviva l'Jtalia!", dann ein „Evviva Savoia!", 
dann ein „Evviva l'esercito italiano!" zu. Keine Antwort. Stumm wie die Götzen 
standen diese Menschen da, zuckten höchstens die Achseln, wenn wir sie aufforderten, Rede 
und Antwort zu stehen. Wir waren auf einen Willkomm gefaßt gewesen. Ich hatte 
die Aufgabe, mit dem Kurat zu sprechen, fand einen Herrn, der nicht in die dargereichte 
Rechte einschlug, sondern mir erklärte, die Bewohnerschaft könnte uns nie und nimmer 
als Freunde ansehen. Der Kurat redet auf mich ein, läßt mich nicht zu Worte kommen 
und ersucht mich, zu verhindern, daß weitere Vergewaltigungen von Frauen und Mäd 
chen vorkommen. Ich protestiere. Er behauptet weiter und nennt Namen von angeb 
lichen Opfern. Ich eile in mein Quartier, erstatte meinem Obersten Meldung. Dieser 
ordnet die Festnahme des unfreundlichen Pfarrers und die Untersuchung der gemeldeten 
Fälle an. Unsere Mannschaften wollen es nicht gewesen sein. Aber sie lassen die Frage 
offen, ob nicht der oder der vom anderen Bataillon eine freundschaftliche Annäherung 
gesucht habe, die von den Bewohnern falsch ausgelegt worden ist. Der Kurat ist entfernt, 
aber die Stimmung bei seinen Pfarrkindern ist nicht besser, sondern eher noch schlechter. 
Am Abend forsche ich in der „Croce bianca" (bekannter Gasthof) nach den Gründen der 
seltsamen Abneigung und höre: Wir haben es gut in Oesterreich, leiden keine Not, ob 
wohl wir Italiener sind, die Deutschen lieben Cortina, lieben uns, gerade weil wir zu 
Oesterreich halten; wären wir zu Italien geschlagen, so würde unsere Fremdenindustrie 
ruiniert sein. Und so weiter. Ich glaube beinahe, diese Italiener Oesterreichs hassen 
uns. Sie sprecherl zwar noch Italienisch, dem Wesen nach aber sind sie schon deutsch..." 
Aehnliches ereignete sich fast in allen Orten, von denen die Italiener Besitz ergriffen. 
In dem in Trient erscheinenden „Pesviglio" wurden die Brutalitäten der italienischen 
Soldaten durch die Erzählungen von Personen bestätigt, denen es gelang, aus Borgo, 
Telve und anderen, von Italienern besetzten Dörfern des Suganertales zu flüchten. 
Frauen und Mädchen sind auch hier von der süditalienischen Soldateska vergewaltigt, 
ihre Gatten und Väter nach Italien verschleppt worden. Oft wurden ganze Familien 
weggeführt und alles wertvolle Hab und Gut der wohlhabenderen Familien gestohlen. 
Ueber das Verhalten der Italiener in den von ihnen besetzten Gebieten an der küsten 
ländischen Front wird gleiches berichtet. Besonders empörende Einzelheiten veröffentlicht 
das „Wiener Fremdenblatt" Mitte September 1915 aus Grund von Protokollen, die mit 
mehreren aus mehrmonatiger italienischer Gefangenschaft in ihre küstenländische Heimat 
zurückgekehrten Arbeitern aufgenommen worden sind. Am 4. Juni 1915 besetzten italienische 
Truppen die Ortschaften Amast und Kamno der Gemeinde Libusins bei Karfreit. Alle 
wehrpflichtigen Männer wurden festgenommen und in rücksichtslosester Weise über die 
Grenze abgeführt. Der Weg, den die Unglücklichen durch halb Italien zu machen hatten, 
gestaltete sich zu einem Leidensweg im wahrsten Sinne des Wortes. Die ihnen zuteil 
gewordene Behandlung spricht jedem Begriff von Völkerrecht und Zivilisation Hohn. 
Kaum hatte der Transport auf dem Marsch nach Karfreit Amast verlassen, als die Es 
korte einen Mann aus dem Zuge herausnahm und ihn kurzerhand ohne jede Veranlassung 
niederschoß. Dasselbe Schicksal teilten gleichzeitig ein Mann und eine Frau, die nichts 
ahnend aus dem Felde bei Amast arbeiteten und plötzlich von den Soldaten niedergestreckt 
wurden. Aus dem weitern Marsche wurden die Gefangenen von vorbeimarschierenden 
Alpini gröblich und tätlich in der gemeinsten Weise mißhandelt. Ein höherer Offizier 
ließ den Transport bei Jdersca in einem Gliede ausstellen und ganz ohne Ursache, ohne 
Erklärung und Verhör, jeden zehnten Mann erschießen. Die bedauernswerten Opfer
	        
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