Volltext: Der Völkerkrieg Band 3 (3 / 1915)

Vom russischen Volk 
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lands geleitet. Man will aus durchsichtigen Motiven den Petersburgern die Kehrseite 
der Medaille verbergen, will ihnen Schlüsse nach dieser und jener Richtung unmöglich 
machen und auch nicht allzu reichliche Gelegenheit geben, die Verwundeten auszufragen. Den 
noch sprechen sich Einzelheiten herum, die die russischen „Siege" ganz eigenartig beleuchten. 
„Von auffälliger Sorglosigkeit ist das Leben in den Restaurants, die ständig überfüllt 
sind," erzählt der schwedische Schriftsteller Harald Wägner im Stockholmer „Aften- 
bladet". „An patriotischen Festtagen singt man hier neben den Gassenhauern der 
Tingeltangel die Zarenhymne, die Marseillaise und „God save the King“. An solchen 
Festtagen wird schon vom frühen Morgen an sowohl von den Damen der höheren 
Klassen wie von eleganten Halbweltlerinnen auf den Straßen und in den Cafes eifrig 
für das Heer gesammelt. Noten und Silberrubel häufen sich dann aus Tellern und 
Tabletts, und erfahrene Leute behaupten, daß mindestens die Hälfte von dem gesam 
melten Geld auch dem Zweck zugute kommt, für den gesammelt wird. Damit muß man 
sich zufrieden geben. Diese Sorglosigkeit hat etwas Großes, vielleicht mit einem An 
strich von Barbarei. Um so mehr, als sich nahe dem Luxus und Ueberfluß Verzweif 
lung und Elend breit machen." Ein dafür charakteristisches Straßenbild schildert ein 
anderer Schwede in „Svenska Dagbladet": „An einem kalten windigen Wintertag be 
gegnete ich einer langen Kolonne einberufener Landsturmleute, die nach der Nächst 
liegenden Kaserne marschierte. Es waren 600 bis 700 Mann zwischen 40 und 45 
Jahren. Es machte einen tieftraurigen Eindruck zu sehen, wie diese Leute im besten 
Mannesalter so schweigsam, niedergeschlagen und mißmutig, mit müden, schleppenden 
Schritten ihren Weg gingen. Sie machten den Eindruck von zum Tode Verurteilten, 
die ihre letzte Wanderung antreten. Neben der Kolonne zog eine Schar Weiber, 
ihre Frauen mit Kindern aus dem Arm oder an der Hand, und sie waren noch 
niedergeschlagener und trauriger. In der Nähe der Kaserne hielt mein Schlitten, um 
die Kolonne passieren zu lassen. Die Musik spielte einen flotten Marsch. Es war aber, 
als ob nicht einmal die Nächstgehenden die Töne hörten. Die Schritte blieben ebenso 
langsam schleppend und taktlos, die Köpfe ebenso gesenkt, die Gesichter ebenso traurig. 
Die schreiende Disharmonie zwischen dem frischen Militärmarsch und zwischen diesen 
lebensmüden, traurigen Wandernden, dem Jammer der Mütter und dem Geschrei der 
Kinder war schrecklich und tief ergreifend. ... Aber Petersburg ist groß. Petersburg 
hat für alles Raum." 
Die russische Sozialdemokratie und der Krieg 
Die russische Sozialdemokratie war vom Kriege überrascht worden. „Als er aus 
brach," schreibt die „Kölnische Zeitung", „waren die Ausstände unter der Petersburger 
Arbeiterschaft, die noch einen Schatten aus die Glanztage des Besuchs von Poincars 
warfen, eben beendet. Als dann die Mobilmachung angeordnet und in Petersburg der 
Kriegszustand erklärt wurde, schloß die Regierung sämtliche Arbeiterorganisationen. Die 
Gefängnisse füllten sich mit den Führern der Arbeiter und das Petersburger Proleta 
riat, das in der russischen Arbeiterbewegung eine führende Stellung einnimmt, war ohne 
Organisation und Presseorgane. Die von der Regierung und konservativen Elementen 
der Gesellschaft ins Werk gesetzten vaterländischen Kundgebungen, wie sie in der Zer 
störung des Gebäudes der deutschen Botschaft zum Ausdruck kamen, beeinflußten die 
Stimmung in den breiten Massen der Bevölkerung und erschwerten so auch die Stellung 
der russischen Sozialdemokratie, zumal da die verlogenen Hetzartikel der Presse über den 
deutschen Militarismus und die Befreiung der unterdrückten Nationalitäten wie das 
Bündnis mit den demokratischen Westmächten die wahren Ursachen des Krieges ver 
tuschten. Trotzdem hielt sich die russische Sozialdemokratie von allem Chauvinismus fern."
	        
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