Volltext: Beiträge zur Künstlergeschichte der Passauer Maler Rueland Frueauf Vater und Sohn [7]

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Phot. Kunstverlag Wolfrum-Wien 
Bild 27. Wien, Staatsmuseum, Fragmente einer „Geburt 
Christi", Rückseite der Geißelung (Bild 15) 
in der roheren Ausführung aber von Gesellenhand 
stammen". Keiner der beiden bewährten Frueauf- 
Forscher ist allerdings der übereinstimmend ange 
nommenen Gesellenhand weiter nachgegangen, wenn 
es auch Stiaßny Bedenken machte, daß der ver 
antwortliche Malerunternehmer (also Vater Frueauf) 
dem Gehilfen mindest zweimal (Anbetung der Könige 
und Himmelfahrt Mariens) erlaubte, sein Zeichen 
R. F. auf den Rückseitenbildern anzubringen. 
Die vier bisher wenig beachteten Rückseitenbilder, 
die Verkündigung Mariae auf der Rückseite des 
Oelbergbildes (Bild 25), die Anbetung der Könige 
auf der Rückseite der „Kreuztragung" (Bild 30), 
die Himmelfahrt Mariens auf der Rückseite der 
„Kreuzigung" (Bild 2b) und schließlich das fast 
völlig zerstörte Bild der Geburt Christi auf der 
Rückseite der Darstellung der Geißelung (Bild 27) 
sind aber in Komposition und Farbe grundverschieden 
von den ohne Frage eigenhändigen Vorderseltenbilder 
des älteren Frueauf. Wenn wir von dem noch zu 
besprechenden Oelbergsbild der Vorderseite (Bild 33) 
vorerst noch absehen wollen, so sehen wir in den 
Vorderseitenbildern (Bilder 15, 28, 29) die für 
die Kunstsprache des alten Frueauf so ungemein 
charakteristischen zeitlosen, feierlichen Repräsentations 
bilder der konservativen Richtung, während die Rück 
seitenbilder (Bilder 25 — 21 und 30) mit einer Fülle 
naturalistischer Details ausgestattete, mit schlicht 
volkstümlicher Frömmigkeit geschilderte Augenblicks 
bilder darstellen. Nicht die „Darstellung der Welt 
war bei den Repräsentationsbildern der Vorderseite 
das Wesentliche; auf den Eindruck deS Raumes ist 
so gut wie ganz verzichtet. Statt der Luft eines in 
die Tiefe reichenden Raumes, statt einer Hinter 
grundlandschaft, glänzt ein sehr zart gemusterter 
Goldgrund und vor ihm stehen schier übergroß die 
Gestalten. Sie allein erfüllen die Tafel, sie bestimmen 
den Eindruck. Die Komposition beruht auf dem 
Ausgleich der breiten großgegliederten Flächen oder 
kontrastierenden Bewegungen der streng frontal 
angeordneten Figuren, die alle nach der Mitte hin, 
um die Hauptfigur, zusammengeschlossen werden"^). 
Demgegenüber finden wir bei den Rückseitenbildern 
ein deutlich genugsam wahrnehmbares Streben nach 
einer glaubhaften Darstellung von Raum und Neben 
raum ; während bei der primitiven Raumandeutung 
des Geißelungöbildes (Bild 15) daö Fließenpflaster 
wie eine Wand hochstrebt und der Fluchtpunkt seiner 
Perspektivlinien in daö letzte Bilddrittel verlegt ist, 
fällt der Fluchtpunkt der Perspektivlinien des Fuß 
bodens der Rückseitenbilder der Verkündigung, Geburt 
und Anbetung in ganz geänderter perspektiver Raum 
auffassung in die untere Bildhälfte; aus den irra 
tionalen Raumdraufsichten werden naturnähere 
Raum ein sichten. In diese Raumeinsichten sind die 
Figurengruppen nicht wie auf den Vorderseltenbildern 
(Vergl. Bilder 15, 28, 29) streng frontal, flächig 
angeordnet,sondernin raumtiefeentsprechenden Schräg 
stellungen. Was im Raume dargestellt ist, wird mit 
den Zügen einer laut sprechenden Wirklichkeit aus 
gestattet. In der Geburtöhütte ist, ganz naturalistisch 
geschildert, ein Herd ausgemauert, auf dem der heute 
nichtmehr sichtbare St. Josef den Kinderbrei kocht, Holz 
scheiter lehnen an den verfallenen Gemäuer, in einer 
Ofennische steht die Laterne und aus dem Stallraum, 
der sich in räumlicher Tiefe öffnet, glotzt die Kuh 
nach dem göttlichen Kind (Bild 27); in dem Gemach 
8 ) Nach Otto Fischer, op. cit. ©. 109|l0.
	        
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